Abgasskandal- und Diesel-Urteile: VW und Mercedes vor BGH, EuGH, OLG und Landgericht

Im Abgasskandal sind inzwischen viele Diesel-Urteile zugunsten der Verbraucher ausgefallen – Gegen VW, Audi, Mercedes und andere. 19.01.2021
Zusammenfassung:
- In Diesel-Urteilen setzen immer mehr Verbraucher Schadensersatz oder eine Entschädigung durch.
- Die VW-Urteile sind dabei am häufigsten.
- Auch gegen Mercedes gibt es bereits Urteile im Abgasskandal.
Nachdem der Dieselskandal 2015 bekannt wurde, waren die Abgasskandal-Urteile gegen VW, Audi, Seat und Skoda zunächst uneinheitlich. Inzwischen fallen die Diesel-Urteile aber mehr und mehr zu Gunsten der Verbraucher aus. Insbesondere haben sich inzwischen fast alle Oberlandesgerichte (OLG) im Abgasskandal auf die Seite der Verbraucher gestellt. Selbst wenn die Hersteller wie Volkswagen und Daimler rechtskräftige Urteile großenteils vermeiden können, enden die Verfahren meist mit einem für die Kunden vorteilhaften Vergleich. Insbesondere bei den VW-Urteilen (und den Vergleichen) wird den Kunden in der Regel Schadensersatz oder eine Rückabwicklung zugesprochen. Lautet das Diesel-Urteil auf Rückabwicklung, so wird vom erstatteten Kaufpreis meist noch eine Nutzungsentschädigung abgezogen. Teilweise erhalten die Verbraucher durch die Abgasskandal-Urteile zusätzlich Zinsen.
Wir haben in diesem Artikel einige wichtige Diesel-Urteile und -Beschlüsse aufgelistet. Die Liste der Urteile kann dabei nicht vollständig sein, da es schlicht zu viele gibt. Neben der reinen Auflistung von Abgasskandal-Urteilen sind teilweise kurze Erläuterungen ergänzt, wenn das Urteil ungewöhnlich ist oder erstmals bestimmte Aspekte abdeckt. Die Liste der Diesel-Urteile ist aufgeteilt in:
- BGH-Diesel-Urteile und -Beschlüsse
- EuGH-Urteil im Abgasskandal
- VW-Abgasskandal: Urteile ab 2020
- VW-Abgasskandal: Urteile 2019 und früher
- Urteile gegen Mercedes im Abgasskandal
Neben diesen Diesel-Urteilen gegen die Hersteller haben mehrere Landgerichte inzwischen auch gegen Versicherungen (u.a. ARAG, DEVK, HUK, Örag, WGV) geurteilt, dass die Rechtsschutzversicherungen ihre Deckungszusage bei Klagen im VW-Abgasskandal nicht verweigern dürfen. Das Oberlandesgericht Celle und das Oberlandesgericht Hamm haben zudem beschlossen, dass vom Abgasskandal betroffene VW-Käufer Prozesskostenhilfe erhalten können (Az. 7 W 26/16 vom 30.6.2016 und 28 W 4/16 vom 21.6.2016).
Zu den Diesel-Urteilen kommt noch hinzu: Volkswagen hat einen Bußgeldbescheid über 1 Milliarde Euro akzeptiert. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte VW „Aufsichtsflichtverletzungen“ vorgeworfen, die zum Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen geführt hatten. Da Volkswagen den Bußgeldbescheid akzeptiert hat, dürfte sich die Position des Konzerns im Streit mit seinen Kunden weiter verschlechtert haben. Auch die Daimler AG hat bereits eine Strafe über 870 Mio. € erhalten.
BGH Diesel-Urteile
Das erste Diesel-Urteil des BGH ist am 25.5.2020 zu Gunsten der Verbraucher ausgefallen (Az. VI ZR 252/19). Besitzer von betroffenen VW-Modellen mit Abschalteinrichtung können ihre Fahrzeuge zurückgeben. Vom Kaufpreis wird lediglich eine Nutzungsentschädigung abgezogen. Außerdem fiel am 30.7.2020 ein BGH-Urteil, nach dem ein Software-Update nichts am Recht auf Schadensersatz im Dieselskandal ändert (Az. VI ZR 367/19). Schon zuvor hatte sich der BGH bereits verbraucherfreundlich zum Abgasskandal geäußert:
- BGH-Hinweisbeschluss vom 22.2.2019 (Az. VIII ZR 225/17): VW hat hier einen Rückzieher gemacht, bevor der BGH ein Diesel-Urteil fällen konnte. In einem Hinweisbeschluss hat der BGH trotzdem festgestellt, dass eine illegale Abschalteinrichtung grundsätzlich einen Sachmangel darstellt.
- BGH-Beschluss vom 28.01.2020 (AZ: VIII ZR 57/19): Der BGH kassierte hier ein Diesel-Urteil eines anderen Gerichts. Das Gericht muss bei einem Mercedes ein Gutachten zum Vorhandensein einer Abschalteinrichtung einholen, bevor es ein neues Diesel-Urteil sprechen kann.
Allerdings gab es im Abgasskandal auch BGH-Urteile, die weniger verbraucherfreundlich ausgefallen sind. Am 30.7.2020 entschied der BGH:
- Wurde ein Auto mit EA189-Motor nach Herbst 2015 gekauft, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. Andere Modelle und Hersteller sind nicht betroffen. (Az. VI ZR 5/20)
- Betrogene Diesel-Kunden haben keinen Anspruch auf Zinsen. (Az. VI ZR 354/19, VI ZR 397/19)
- Bei Vielfahrern macht eine Rückgabe keinen Sinn, weil die Nutzungsentschädigung den Schadensersatz aufzehren kann. (Az. VI ZR 354/19)
- Der BGH geht davon aus, dass die Ansprüche aus dem ursprünglichen Abgasskandal (EA 189) bereits seit Ende 2018 verjährt sind (Az. VI ZR 739/20). Das Urteil betrifft keine anderen Motoren und Hersteller und auch EA 189-Besitzer können sich eventuell auf weiteren Betrug durch das Software-Update berufen.
- Nach einem BGH-Beschluss zu Thermofenstern kann auch diese Art von Abschalteinrichtung eine sittenwidrige Schädigung darstellen, wenn die Mitarbeite des Herstellers absichtlich gegen Gesetze verstoßen haben. (Az. VI ZR 433/19)
EuGH-Urteil im Abgasskandal
Auch der EuGH beschäftigt sich in mehreren Fragen mit dem Abgasskandal. So hat das Landgericht Gera hat den EuGH um die Klarstellung einiger europarechtlicher Fragen gebeten (Rechtssache C-663/19). Unter anderem soll mit dem Diesel-Urteil des EuGH geklärt werden, ob bestimmte Regelungen überhaupt dem Schutz der Käufer dienen und ob bei der Rückgabe eine Nutzungsentschädigung fällig wird. Das ursprünglich für den 19.3.2020 angekündigte Urteil wurde wegen der Corona-Krise verschoben.
In der Rechtssache C-693/18 liegt das EuGH-Urteil zu Thermofenstern inzwischen vor: Dieses fällt recht verbraucherfreundlich aus und äußert sich z.B. kritisch über sogenannte Thermofenster. Ein Herunterfahren der Abgasreinigung ist demnach nicht zulässig, wenn dadurch nur Verschleiß bzw. Verschmutzung reduziert werden soll. Das bedeutet, dass die meisten Diesel-Modelle eine illegale Abschalteinrichtung einsetzen.
Auch ein Fall gegen Porsche landet demnächst in Luxemburg. Mit einem EuGH-Urteil soll hier geklärt werden, wie der Begriff „Abschalteinrichtung“ auszulegen ist und inwiefern Thermofenster zulässig sind. Die Klärung hatte das Landgericht Stuttgart beantragt (Beschluss vom 13.03.2020, Az. 3 O 31/20).
Außerdem gibt es bereits ein weiteres rechtskräftiges EuGH-Urteil im Abgasskandal: Am 09.07.2020 entschied der EuGH, dass vom Dieselskandal betroffene Österreicher VW auch in Österreich verklagen können (Az. C-343/19).
VW-Abgasskandal: neue Urteile 2020 und 2021
Hier eine Liste von VW-Abgasskandal-Urteilen aus dem Jahr 2020, die im Sinne der Verbraucher ausgefallen sind. Aufgrund der Vielzahl an VW-Urteilen haben wir uns auf ausgewählte Urteile von Oberlandesgerichten und Urteile zu neuen Themen beschränkt:
- LG Köln, Urteil vom 15.1.2020 (Az. 17 O 185/19): Die Verjährung wird durch die VW-Musterfeststellungsklage auch gehemmt, wenn man sich wieder abmeldet.
- OLG Oldenburg, Urteil vom 16.1.2020 (Az. 14 U 166/19)
- OLG Hamm, Urteil vom 20.01.2020 (Az. I-13 U 40/18)
- OLG Oldenburg, Urteil vom 30.1.2020 (Az. 1 U 131/19: Die Verjährung von Fällen mit EA 189-Motor tritt nicht vor 2019 ein.
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 (Az. I-13 U 81/19): Porsche kann sich nicht auf Unwissen berufen.
- OLG Brandenburg, Urteil vom 11.02.2020 (Az. 3 U 89/19)
- OLG Dresden, Urteile vom 05.03.2020 (Az. 10a U 1834/19 und 10a U 1907/19)
- OLG Köln, Urteil vom 02.04.2020 (Az. 18 U 60/19): Anspruch auf Ersatzlieferung des Nachfolgemodells.
- OLG Koblenz, Urteil vom 03.04.2020 (Az. 8 U 1956/19): Entschädigung wegen sittenwidriger Schädigung beim EA 189 auch bei Kauf 2017.
- Landgericht Dortmund, Urteil vom 28.08.2020 (Az.: 4 O 53/20): Auch nach dem Update hat der Skandal-Motor EA 189 noch eine Abschalteinrichtung. VW hat wohl nur die Prüfstandserkennung gegen ein Thermofenster ausgetauscht.
- OLG Köln vom 25.09.2020 (Az. 19 U248 / 19): Verjährung tritt im Abgasskandal erst mit Kenntnis der Manipulation ein und damit meist erst mit der Aufforderung, ein Update der Motorsteuerungssoftware einspielen zu lassen.
- OLG Köln vom 18.12.2020 (Az. 20 U 288/19): Sittenwidrige Schädigung beim EA 189 auch nach 2015, da Update weiter auf Abschalteinrichtung setzt.
- OLG Koblenz vom 13.01.2021 (Az.: 5 U 145/20): Schadensersatz auch beim 3-Liter-Motor EA897 von Audi.
- OLG Bremen vom 15.01.2021 (Az. 2 U 9/20): Auch nach dem Software-Update drohen weitere Gefahren. Zur Begründung wird der erneute Rückruf beim VW EOS herangezogen.
- OLG Hamm vom 19.1.2021 (Az. 19 U 1304/19): Das Gericht sieht auch nach der AdHoc-Mitteilung und den Software-Updates keine Verhaltensänderung beim VW-Konzern.
VW-Abgasskandal: Urteile 2019 und früher
Folgende VW-Abgasskandal-Urteile aus den Jahren bis 2019 räumen den betroffenen Käufern ein Rücktrittsrecht oder Schadensersatz ein:
- Oberlandesgericht München, Urteil vom 23. März 2017 (Az. 3 U 4316/16): VW hatte einen Rückzieher gemacht, es ging daher offiziell nur noch um die Gerichtskosten.
- Landgericht Arnsberg, Urteil vom November 2017 (Az. I-2 O 45/17): erstes Urteil zum Widerruf von Autokrediten
- OLG Köln, Urteil vom 27.3.2018 (Az. 18 U 134/17): Eine Rückgabe ist auch nach Update der Motorsteuerung möglich.
- Landgericht Augsburg, Urteil vom 7.5.2018 (Az. 82 O 4497/16): In diesem Diesel-Urteil wurde die Nichtigkeit des Kaufvertrags festgestellt.
- OLG Köln, Urteil vom 28.5.2018 (Az. 27 U 13/17)
- Landgericht Duisburg, Urteil vom 30.10.2018 (Az. 1 O 231/18): Erstes Urteil zum EA 288-Motor
- Landgericht Augsburg, Urteil vom 14.11.2018 (Az. 021 O 4310/16): Abgasskandal-Urteil, das eine Diesel-Rückgabe ohne Nutzungsentschädigung vorsieht.
- Landgericht Wuppertal, Urteil vom 15.03.2019 (Az. 2 O 273/18): Urteil zum Thermofenster beim Motor EA 288
- Landgericht Bonn, Urteil vom 27.03.2019 (Az. 1 O 394/17): Der Käufer eines Porsche Cayenne Diesel bekommt dank Zinsen mehr zurück als er gezahlt hatte.
- OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 29.04.2019 (Az. 16 U 30/19, 1 0138/18): Ein Diesel-Käufer hat bei Rückabwicklung Anspruch auf Zinsen zusätzlich zum Kaufpreis.
- OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 (Az. 5 U 1318/18)
- OLG Stuttgart, Urteil vom 26.9.2019 (Az. 10 U 11/19): Das Diesel-Urteil sieht auch bei Gebrauchtwagen Ansprüche wegen sittenwidriger Schädigung vor.
- OLG München, Urteil vom 15.10.2019 (Az. 24 U 797/19)
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.2019 (Az. 13 U 106/18)
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2019 (Az. 17 U 146/19): Erstattung von Deliktszinsen und Kosten für eine Restschuldversicherung bzw. Kreditschutzbrief.
- OLG Wien, Urteil vom 27.11.2019 (Az. 4 R 62/19w): Übertriebene Thermofenster sind ein grundsätzlicher Mangel.
- OLG Düsseldorf vom 12.12.2019 (Az. I-13 U 84/19): 25% des Kaufpreises als Schadensersatz.
Urteile gegen Mercedes im Abgasskandal
Auch gegen Mercedes bzw. die Daimler AG liegen bereits erste Diesel-Urteile vor. Hier eine Auswahl:
- LG Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2018 (Az.:18 O 24/18)
- LG Hanau, Urteil vom 07.06.2018 (Az.: 9 O 76/18)
- LG Stuttgart, Urteil vom 17.1.2019 (Az. 23 O 180/18): Urteil zu unzulässigen Thermofenstern bei Gebrauchtwagen – selbst ohne offiziellen Rückruf.
- LG Stuttgart, Urteil vom 09.05.2019 (Az. 23 O 220/18)
- OLG Köln, Urteil vom 06.09.2019 (Az. 19 U 51/19)
- OLG Hamm, Beweisbeschluss vom 02.10.2019 (Az. I-17 U 191/18): Es muss ein Gutachten eingeholt werden.
- BGH-Beschluss vom 28.01.2020 (Az. VIII ZR 57/19): Gericht muss bei einem Mercedes ein Gutachten einholen
- OLG Naumburg vom 18.09.2020 (Az. 8 U 8/20): Erstes OLG-Urteil gegen Daimler. Es ging um die unzulässige Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung.
- OLG Köln vom 5.11.2020 (Az. 7 U 35/20)
- LG Stuttgart vom 12.11.2020 (Az.: 20 O 411/19): Verurteilung wegen fahrlässiger Schädigung (§ 823 BGB)
Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung.
Markus Klamert ist Inhaber der Kanzlei Klamert & Partner aus München. Als Anwalt ist er Spezialist für Wirtschaftsrecht, Kapitalanlagerecht und Stiftungsrecht. Zusammen mit Rechtecheck hat er bereits tausenden Verbrauchern im Dieselskandal und beim Autokredit-Widerruf geholfen.