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Dekubitus durch fehlerhafte Pflegeleistungen in Pflegeheimen und Krankenhäusern sowie der ambulanten Pflege

8. März 2019

Bewegungsarmut ist sowohl für gesunde als auch für kranke Menschen ein großes Problem. Wenn sich aufgrund eines Unfalls, einer Krankheit, einer Querschnittslähmung oder altersbedingt jedoch der Körper nicht bewegen lässt, ist die Gefahr des Wundliegens, sehr hoch. Medizinisch wird dies als Dekubitus bezeichnet und kann Betroffenen große Probleme bereiten In den meisten Fällen lässt sich das Windliegen durch richtige Pflege vermeiden. Tritt trotz professioneller Pflege Dekubitus auf, kann dem Patienten dafür Schadensersatz und Schmerzensgeld zustehen.

Leider vermehren sich die Dekubitus-Fälle in Deutschland. Oftmals liegt es daran, dass der Ausstattungsstandard in den Krankenhäusern unbefriedigend ist, das Pflegepersonal in Altersheimen überlastet ist oder Geld und Personal für die ambulante Pflege fehlen.

Im Folgenden erklären wir ihnen was ein Dekubitus istwie Pflegerinnen und Pfleger gegen einen Dekubitus ankämpfen sollen, wann es sich um einen Behandlungsfehler handelt und wie ein Dekubitus kategorisiert wird,

Was ist ein Dekubitus?

Die internationale Definition von Dekubitus (nach NPUAP und EPUAP) lautet: „Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, in der Regel über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften […] .“ Oder kurz gesagt: das Wundliegen.

Daher sind bettlägerige Personen (z.B. Koma-Patienten), ständig sitzende Personen (z.B. Rollstuhlfahrer) oder Personen mit Veränderungen der intakten Haut als Dekubitus gefährdet einzuordnen. Veränderungen des Hautzustandes, insbesondere trockene Haut oder Rötungen weisen auf die Entstehung eines Dekubitus hin, wobei auch andere Faktoren zu beachten sind. Sollte sich eine Rötung nicht wegdrücken lassen, steigt zusätzlich das Risiko einer fortschreitenden Dekubitusentwicklung.

Ein Dekubitus kann unterschiedlich groß und tief sein, außerdem infizieren sich die Wunden in der Regel (insbesondere in Krankenhäusern). Diese können beim Betroffenen permanente starke Schmerzen verursachen, die sich nur mit einer geeigneten Schmerztherapie beseitigen lassen können. Jedoch schränken diese Schmerzen die Bewegung und auch die Aktivitäten stark ein. Allein der Verbandswechsel, der täglich zwei bis dreimal getätigt werden muss, ist sowohl für den Patienten als auch für die Pflegekraft ein anstrengendes Verfahren. Das hat zur Folge, dass der Heilungsprozess monatelang andauern kann. Bei sehr tiefen Geschwüren bleiben chirurgische Eingriffe oft nicht aus. Bei Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) ist eine Entfernung notwendig. Außerdem kann die psychische Belastung bis hin zu einer Depression führen, da sich die Patienten in ihrem eigenen Körper nicht mehr wohlfühlen und den Kontakt mit ihren Mitmenschen vermeiden.

Die durchschnittlichen Kosten für die Therapie eines Dekubitus können auf bis zu 50.000 € beziffert werden. Allerdings können keine genauen Aussagen über diese Zahlen getroffen werden, da Dekubitus grundsätzlich in der Verbindung mit einer schwerwiegenderen Verletzung oder Erkrankung auftritt.

Maßnahmen der Pflegerinnen und Pfleger gegen Dekubitus

Die Pflegerinnen und Pfleger werden speziell für die Risiken einer Dekubituswunde geschult, sodass sie eine richtige Einschätzung liefern können. Dabei sollen sie u.a. folgende Dinge bei der Einschätzung berücksichtigen:

  • Aktivität und Mobilität
  • Vollständige Hautinspektion, die auch die Veränderungen intakter Haut umfasst.
  • Den Einfluss folgender Risikofaktoren auf den Einzelnen einschätzen:
    • Ernährungsindikatoren
    • Faktoren, welche die Durchblutung und Sauerstoffsättigung beeinflussen
    • Hautfeuchtigkeit
    • Erhöhtes Lebensalter
  • Auswirkungen folgender Risikofaktoren auf die Dekubitusentstehung:
    • Reibungs- und Scherkräfte (Item der Braden Skala)
    • Sensorisches Empfindungsvermögen (Item der Braden Skala)
    • Allgemeiner Gesundheitszustand
    • Körpertemperatur
  • Regelmäßige Risikobeurteilung bei Veränderungen

All diese Punkte können Ihnen ebenfalls als Indikatoren für eine gelungene Dekubitusprophylaxe dienen. Ist ein Dekubitus-Risiko gegeben, können u.a. folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Richtige Lagerung bzw. Positionierung: Bereits bei der Lagerung des Patienten sollte darauf geachtet werden, dass möglichst keine Druckstellen (z.B. durch Falten im Bettlaken) entstehen können.
  • Mobilisierung des Patienten: Sofern es möglich ist, sollte der Patient zu eigenständiger Bewegung angeregt werden.
  • Regelmäßiges Umlagern: Durch Umlagern werden Druckstellen entlastet, sodass sie wieder durchblutet werden. Dies muss regelmäßig erfolgen.
  • Verwendung von besonders weichen Matratzen oder anderen Unterlagen. Diese verteilen den Druck möglichst großflächig.
  • Verwendung einer Dekubitus-Matratze: Sie besteht aus einzelnen Kammern, die abwechselnd aufgeblasen werden. So wird die Belastung von Druckstellen abgewechselt. Solche Matratzen gibt es z.B. bei Amazon *

Ihre rechtliche Lage bei einem Behandlungsfehler des Dekubitus

Die Dekubitusprophylaxe wird als Pflegeleistung angesehen, doch im Medizinhaftpflichtprozess als medizinische Behandlung anerkannt. Somit sind derartige Pflegefehler als medizinischer Behandlungsfehler zu beurteilen. Daraus folgt, dass, wenn in einer medizinischen Einrichtung oder durch die ambulante Pflege ein Dekubitus entsteht, der Verdacht einer nicht fachgerecht ausgeführten Prophylaxe nahe liegt.

Dabei werden aber in der Regel nie einzelne Pflegekräfte für einen Pflegefehler belangt, da sich der Nachweis als schwierig erweist. Auch sind es weniger die Patienten und deren Angehörige selbst, sondern die Kranken- und Pflegekassen, die Schadensersatzprozesse gegen den Haftpflichtversicherer der behandelnden Einrichtung einleiten.

Allerdings entschieden sowohl das LG als auch das OLG Köln in mehreren Verfahren, dass ein Dekubitus kein vollbeherrschbares Risiko darstellt (OLG Köln – 4. August 1999, Az.: 5 U 19/99; OLG Köln – 20. August 2007, Az.: 5 U 87/07; LG Köln – 14. Juni 2016, Az.: 25 O 73/14). Ob Sie Ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können, liegt daher maßgeblich an der Dokumentation der Behandlung nach § 630f BGB. Aus der Pflegedokumentation muss der Prophylaxebedarf und die erforderlichen Prophylaxemaßnahmen zu erkennen und die daraus resultierende Entstehung eines Dekubitus ersichtlich sein.

Eine lückenlose Dokumentation erweist sich für das Pflegepersonal und für die Gesundheitseinrichtung immer als vorteilhaft, denn Dokumentationsfehler führen zu einer Beweislastumkehr. Je besser der Arzt bzw. das Personal die Behandlung dokumentiert, desto sicherer ist es für die Einrichtung.

Lässt sich aus der Akte entnehmen, dass die Prophylaxemaßnahmen getroffen wurden, aber dennoch ein Dekubitus entstanden ist, ist die behandelnde Partei ‚entschuldigt. Wenn der Arzt jedoch schlecht dokumentiert hat, ist dieser in der Schuld zu beweisen, dass er nicht für den Dekubitus verantwortlich ist, was nur schwer möglich ist.

Da dies als Laie jedoch kaum ersichtlich und nachvollziehbar ist, sollten Sie stets einen spezialisierten Anwalt beauftragen. Dabei sollten Sie sich – beispielsweise als Betreuer – außerdem beeilen, auch wenn in manchen Fällen eine besondere Verjährungsfrist besteht.

Dass hierbei der Einzelfall entscheidend ist, lässt sich am Urteil des Landesgerichtes München I erkennen: Aufgrund unzureichender Dekubitusprophylaxe wurde der Klägerin rund 15.000€ Schmerzensgeld zugesprochen (LG München I, 14.01.2009 – Az.: 9 O 10239/04). In einem anderen Fall wurde dem Kläger ein Schmerzensgeld von rund 20.000 € gezahlt (LG Bonn, 9 O 364/08).

Das Klassifikationssystem des Dekubitus

Im Rahmen der internationalen Standardisierung hat man sich entschieden, den Dekubitus in vier unabhängige Kategorien zu unterteilen:

  • Kategorie I: Nicht wegdrückbare, umschriebene Rötung bei intakter Haut, gewöhnlich über einem knöchernen Vorsprung. Bei dunkel pigmentierter Haut ist ein Abblassen möglicherweise nicht sichtbar, die Farbe kann sich aber von der umgebenden Haut unterscheiden. Der Bereich kann schmerzempfindlich, verhärtet, weich, wärmer oder kälter sein als das umgebende Gewebe. Diese Symptome können auf eine (Dekubitus) Gefährdung hinweisen.
  • Kategorie II: Teilzerstörung der Haut (bis in die Dermis/Lederhaut), die als flaches, offenes Ulcus (Geschwür) mit einem rot bis rosafarbenen Wundbett ohne Beläge in Erscheinung tritt. Kann sich auch als intakte oder offene/rupturierte, serumgefüllte Blase darstellen. Manifestiert sich als glänzendes oder trockenes, flaches Ulcus ohne nekrotisches Gewebe oder Bluterguss (Blutergüsse weisen auf eine tiefe Gewebsschädigung hin). Diese Kategorie sollte nicht benutzt werden um Skin Tears (Gewebezerreißungen), verbands- oder pflasterbedingte Hautschädigungen, feuchtigkeitsbedingte Läsionen, Mazerationen oder Abschürfungen zu beschreiben.
  • Kategorie III: Zerstörung aller Hautschichten Subkutanes Fett kann sichtbar sein, jedoch keine Knochen, Muskeln oder Sehnen. Es kann ein Belag vorliegen, der jedoch nicht die Tiefe der Gewebsschädigung verschleiert. Es können Tunnel oder Unterminierungen vorliegen. Die Tiefe des Dekubitus der Kategorie/Stufe/Grad III variiert je nach anatomischer Lokalisation. Der Nasenrücken, das Ohr, der Hinterkopf und das Gehörknöchelchen haben kein subkutanes Gewebe, daher können Kategorie III Wunden dort auch sehr oberflächlich sein. Im Gegensatz dazu können an besonders adipösen Körperstellen extrem tiefe Kategorie III Wunden auftreten. Knochen und Sehnen sind nicht sichtbar oder tastbar.
  • Kategorie IV: Totaler Gewebsverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln. Belag und Schorf können vorliegen. Tunnel oder Unterminierungen liegen oft vor. Die Tiefe des Kategorie IV Dekubitus hängt von der anatomischen Lokalisation ab. Der Nasenrücken, das Ohr, der Hinterkopf und der Knochenvorsprung am Fußknöchel haben kein subkutanes Gewebe, daher können Wunden dort auch sehr oberflächlich sein. Kategorie IV Wunden können sich in Muskeln oder unterstützende Strukturen ausbreiten (Fascien, Sehnen oder Gelenkkapseln) und können dabei leicht Osteomyelitis oder Ostitis verursachen. Knochen und Sehnen sind sichtbar oder tastbar. Darunter werden

Weitere Kategorien in den USA:

  • Ein vollständiger Haut- oder Gewebeverlust, bei der die tatsächliche Tiefe der Wunde von Belag (gelb, dunkelgelb, grau, grün oder braun) und Wundkruste / Schorf (dunkelgelb, braun oder schwarz) im Wundbett verdeckt ist. Ohne ausreichend Belag oder Wundkruste / Schorf zu entfernen, um zum Grund des Wundbettes zu gelangen, kann die wirkliche Tiefe der Wunde nicht festgestellt werden, aber es handelt sich entweder um Kategorie / Stufe / Grad III oder IV. Stabiler Wundschorf (trocken, festhaftend, intakt ohne Erythem und Flüssigkeit) an den Fersen dient als „natürlicher biologischer Schutz“ und sollte nicht entfernt werden.
  • Vermutete tiefe Gewebeschädigung (unbekannte Tiefe): Violetter oder rötlich-brauner, umschriebener Bereich verfärbter, intakter Haut oder blutgefüllte Blase aufgrund einer Schädigung des darunterliegenden Weichgewebes durch Druck und/oder Scherkräfte. Dem Effekt vorausgehen kann eine Schmerzhaftigkeit des Gewebes, das von derber, breiiger oder matschiger Konsistenz sein kann und wärmer oder kälter als das angrenzende Gewebe ist. Vermutete tiefe Gewebsschädigungen sind bei Individuen mit dunkel pigmentierter Haut schwer zu erkennen. Bei der Entstehung kann es zu einer dünnen Blase über einem schwarzen Wundbett kommen. Die Wunde kann sich weiter entwickeln und mit Wundschorf bedeckt sein. Es kann zu einem rasanten Verlauf unter Freilegung weiterer Gewebeschichten auch unter optimaler Behandlung kommen.

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