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Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist sehr wichtig, umso schlimmer ist es, wenn die BU nicht zahlt. In vielen Fällen geht es aber nicht ohne Anwalt und Klage.
7. Juni 2021

Die Berufsunfähigkeitsversicherung („BU“) zählt zu den wenigen Versicherungsprodukten, die auch von Verbraucherschützern als wichtig eingestuft werden. Immerhin sichert sie bei den meisten Menschen das wertvollste ab, das sie besitzen: Ihre Arbeitskraft. Gerade Dachdecker, Gerüstbauer und Bergleute haben ein erhöhtes Risiko, dass sie nicht bis zur Rente durchhalten. Aber auch immer mehr Angestellte mit Bürojobs werden berufsunfähig, beispielsweise wegen Rückenleiden oder psychischen Problemen. Umso schlimmer ist es, wenn man im Fall der Fälle feststellt: Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht. Erfahrungsgemäß wird aber in etwa einem Viertel der Fälle die Leistung verweigert. Ein besonders unrühmliches Beispiel scheint hier die Barmenia zu sein, bei der man besonders oft einen Anwalt braucht. Wir erklären,

Mit diesen Tricks erreichen Berufsunfähigkeitsversicherungen, dass sie nicht zahlen müssen

Es liegt angeblich gar keine Berufsunfähigkeit vor

Damit die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt, muss erst einmal eine Berufsunfähigkeit vorliegen. Und darüber, ob bzw. wie stark ein Patient in seiner Berufsausübung eingeschränkt ist, lässt sich sehr gut streiten. Umstritten ist meist insbesondere, wie hoch der Grad der Berufsunfähigkeit ist. Dabei muss i.d.R. ein Wert von 50 % erreicht und von einem Arzt attestiert werden.

Für viele Versicherte ist auch unverständlich, dass die private BU nicht zahlt, obwohl ein Bescheid der gesetzlichen Rentenversicherung über eine Erwerbsminderungsrente oder sogar eine Erwerbsunfähigkeitsrente vorliegt. Private Berufsunfähigkeitsversicherungen und gesetzliche Rentenversicherung haben aber ganz unterschiedliche Definitionen dafür, wann ein Versicherter nicht mehr arbeiten kann. Auch der „Grad der Behinderung“ ist anders definiert als der Grad der Berufsunfähigkeit, da diese immer auch vom Beruf abhängt: Beispielsweise könnte eine Bürotätigkeit auch im Rollstuhl weiter fortgeführt werden, auch wenn eine Querschnittslähmung einen hohen Grad der Behinderung bedeuten würde.

Darüber hinaus gilt ein Patient nur dann als Berufsunfähig, wenn sein Zustand „voraussichtlich auf Dauer“ anhält. Meist muss der Arzt mindestens eine Genesungsdauer von 6 Monaten oder sogar 3 Jahren prognostizieren, damit die Versicherung leisten muss. Ist absehbar, dass der Patient früher wieder arbeiten kann, muss die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zahlen.

Gerade bei psychischen Erkrankungen wie Burn Out oder Depressionen sind der Grad und die voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit ein häufiger Streitpunkt.

Obwohl es in neueren Verträgen kaum noch vorkommt, sehen manche ältere BU-Verträge eine sogenannte „abstrakte Verweisung“ vor. Das bedeutet, dass Versicherte, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, von ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung gezwungen werden können, einen anderen Beruf auszuüben. Beispielsweise könnte ein berufsunfähiger Chirurg noch als Pharmavertreter arbeiten. Ob der Versicherte im neuen Beruf auch eine Stelle findet, ist dabei meist irrelevant. Neuere Verträge sehen dagegen nur noch die „konkrete Verweisung“ vor. Die Berufsunfähigkeitsversicherung muss also nur dann nicht zahlen, wenn der Versicherte auch tatsächlich einen anderen Beruf ausübt. Allerdings muss die neue Stelle auch in etwa der bisherigen beruflichen Stellung und Erfahrung entsprechen und darf nicht wesentlich schlechter bezahlt werden.

Zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung bereits eine Rente, kann sie trotzdem noch regelmäßig ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren durchführen (lassen). Dabei wird überprüft, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der BU-Rente noch vorliegen.

Für die Erkrankung ist eine Berufsunfähigkeitsrente ausgeschlossen

Liegen bereits beim Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung Vorerkrankungen vor, schließt der Anbieter i.d.R. bestimmte Krankheiten vom Versicherungsschutz aus. (Alternativ können teilweise auch höhere Beiträge kassiert werden.)

Beispiel: Der Kunde hatte bereits vor dem Abschluss der BU einen Bandscheibenvorfall. Im Vertrag sind daher Rückenleiden vom Versicherungsschutz ausgenommen. Wird der Versicherte aufgrund eines weiteren Bandscheibenvorfalls berufsunfähig, muss die Versicherung nicht zahlen.

Anfechtung des Vertragsabschlusses

Da Vorerkrankungen den Berufsunfähigkeitsversicherungen die Möglichkeit geben, bestimmte Erkrankungen auszuschließen (s.o.), legen sie sehr großen Wert darauf, dass beim Abschluss der Versicherung auch alle Gesundheitsfragen korrekt, umfassend, vollständig und ehrlich beantwortet werden. Findet die Versicherung später heraus, dass die Angaben falsch waren, kann sie daher vom Vertrag zurücktreten bzw. ihn wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Das Problem dabei: Die Anbieter prüfen die Angaben aus den Gesundheitsfragen erst, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. Dann kontaktieren sie die Ärzte des Kunden und fordern Krankenakten an. Selbst Vorerkrankungen, die nichts mit der aktuellen Berufsunfähigkeit zu tun haben, oder reine Verdachtsfälle dienen den Versicherern dann als Vorwand für eine Anfechtung. Teilweise unterstellen die Anbieter ihren Kunden selbst dann arglistige Täuschung, wenn diese gar nichts von den Diagnosen ihres Arztes wussten.

Allerdings sind die Versicherer damit auch schon vor Gericht gescheitert. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Gesundheitsfragen nicht eindeutig genug gestellt wurden oder beim Abschluss offensichtliche Lücken bzw. Widersprüche bei den Gesundheitsfragen nicht hinterfragt wurden.

Verzögerung und Zermürbung

Hinzu kommt, dass die Anbieter wissen, dass sie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung am längeren Hebel sitzen. Der Versicherte ist bei der Beantragung ja bereits gesundheitlich angeschlagen und hat meist auch wenig finanziellen Spielraum. Die Versicherungen setzen daher oft auf eine Verzögerungstaktik, um nicht zahlen zu müssen: Es werden Unterlagen und Gutachten gefordert, Gegengutachten erstellt und die Bearbeitung verschleppt.

Anschließend wird der Antrag abgelehnt und die Versicherung lässt es auf eine Klage ankommen – in der Hoffnung, dass sich der Kunde den Prozess ohnehin nicht leisten kann oder er das Ende des Prozesses gar nicht mehr erlebt. Teilweise wird den bereits zermürbten Versicherten auch ein Vergleichsangebot gemacht, das nur einen Bruchteil der ihnen eigentlich zustehenden Zahlungen ausmacht.

Darauf müssen Sie achten, wenn Sie Ihre Berufsunfähigkeit melden

Natürlich zahlt Ihre Berufsunfähigkeit nicht, solange Sie keinen Antrag stellen. Allerdings ist eine schnelle Beantragung nicht nur für eine zügige Bearbeitung und Auszahlung wichtig. Als Versicherungsnehmer sind Sie sogar verpflichtet, den Eintritt des Versicherungsfalls so schnell wie möglich zu melden. Außerdem sehen manche BU-Verträge auch vor, dass die Rentenzahlung frühestens mit dem Zeitpunkt des Antrags beginnt.

Trotzdem sollten Sie den Antrag nicht überstürzt abgeben, sondern ihn gewissenhaft und mit allen relevanten Fakten ausfüllen. Ziehen Sie im Zweifelsfall auch Dritte hinzu, beispielsweise Ihren Arzt, einen Anwalt oder den Makler, über den Sie die Versicherung abgeschlossen haben. Sorgen Sie außerdem dafür, dass Sie den Eingang des Antrags bei der Versicherung auch beweisen können, beispielsweise mit einem Einschreiben oder indem Sie sich die persönliche Übergabe von einem Mitarbeiter bestätigen lassen.

In der Kommunikation mit der Versicherung sollten sie außerdem immer misstrauisch sein. Insbesondere „großzügige“ Vergleichsangebote sollten Sie skeptisch machen. Das gleiche gilt, wenn die Versicherung Ihnen anbietet, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen – und so z.B. die Kosten für ein Gutachten zu sparen. Denn: Wenn die Versicherung den Arzt schickt, wird er vermutlich auch von ihr bezahlt und handelt eher in deren Interesse als in Ihrem. Gutachter sollten Sie daher lieber selbst beauftragen.

Diese Fehler sollten Sie beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vermeiden

Wichtig ist vor allem, dass Sie die Gesundheitsfragen der Berufsunfähigkeitsversicherung korrekt beantworten. Auch wenn Ihr Makler vielleicht meint, bestimmte Erkrankungen sollte man „besser nicht erwähnen“, sollten Sie vorsichtig sein: Er wird für den Abschluss bezahlt, aber Sie stehen im Fall der Fälle ohne Versicherungsschutz da. Im Zweifelsfall sollten Sie vor dem Abschluss mit Ihrem Arzt sprechen.

Wenn Sie sich für einen BU-Anbieter entschieden haben, kann es außerdem sinnvoll sein, direkt bei einem Mitarbeiter dieser Versicherung abzuschließen. Eine Fehlberatung geht dann nämlich zu Lasten der Versicherung. Grundsätzlich sollten Sie bei den Gesprächen einen Zeugen dabeihaben und das Beratungsprotokoll genau lesen.

Die Vertragsbedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung sollten keine abstrakte Verweisung vorsehen (was aber inzwischen unüblich ist). Dafür sollte die Versicherung auch rückwirkend zahlen, z.B. wenn man den Antrag erst verspätet abgibt. Außerdem sollte man nicht spontan abschließen ohne vorher die Leistungen verglichen zu haben.

Da es relativ oft vorkommt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht (freiwillig) zahlt, empfiehlt sich außerdem der gleichzeitige Abschluss einer Rechtsschutzversicherung – am besten bei einer anderen Gesellschaft. Außerdem kann es Sinn machen, statt einer „großen“ Berufsunfähigkeitsversicherung mehrere „kleine“ Policen abzuschließen. So könnte man statt einer Versicherung mit 2.000 € vereinbarter Rente 4 Verträge über je 500 € abschließen – und zwar bei verschiedenen Gesellschaften. Das verringert zum einen das Risiko, dass man gar nichts bekommt, weil man nicht nur mit einer Schaden-Abteilung zu tun hat. Zum anderen steigt der Widerstand von Versicherungsgesellschaften i.d.R. mit der Höhe des Schadens.

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