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Widerrufsrecht für Verträge in Deutschland und in der EU

Unüberlegt geschlossene Verträge an der Haustür – das Widerrufsrecht schützt den Verbraucher nach vorschnellen Entscheidungen.
15. November 2016

Was ist das Widerrufsrecht?

Jeder kennt diese Situation. Ein Vertreter klingelt an der Wohnungstür und stellt das neuste Produkt vor, das man im Haushalt unbedingt benötigt. Man wird in ein Verkaufsgespräch verwickelt und ehe man sich versieht, hat man den Kaufvertrag unterschrieben. Einige Zeit später, wenn der Vertreter längst wieder weg ist und man genauer über den Kauf nachgedacht hat, bereut man, dass man sich so schnell überzeugen und zu einem Kauf überreden lassen hat.

Grundsätzlich kommt man im deutschen Recht aus einmal geschlossenen Verträgen nicht ohne weiteres wieder heraus. Wenn man nicht getäuscht oder zum Vertragsschluss gezwungen wurde oder der Verkäufer den Kaufgegenstand nicht liefert, ist man an den geschlossenen Vertrag gebunden. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsbindung ist das Widerrufsrecht.

Widerruf nur bei Verbraucherverträgen

Verbraucher ist grundsätzlich jeder, der als Privatperson einen Vertrag schließt. Einem Verbraucher steht das Widerrufsrecht zu. Dies ist ein Gestaltungsrecht, das in § 355 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. Um dieses Recht nutzen zu können, muss der Verbraucher den Vertrag mit einem Unternehmer schließen. Verträge zwischen Privatpersonen sind nicht umfasst. Ein Widerrufsrecht besteht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unter anderem für folgende Vertragsarten:

  • Fernabsatzverträge (Verträge ohne körperliche Anwesenheit der Parteien, also via Brief, Telefon, E-Mail, Internet, Katalog).
  • Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (im Bereich der Privatwohnung, am Arbeitsplatz oder nach überraschender Ansprache in öffentlichen Bereichen oder Verkehrsmitteln).
  • Versicherungs- oder Darlehensverträge (sog. Widerrufsjoker).

Das Widerrufsrecht steht dem Verbraucher nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Ländern zu. Demnach sind auch Bestellungen und Käufe aus dem EU-Ausland umfasst.

In einigen Ausnahmefällen haben Verbraucher jedoch kein Widerrufsrecht. Das gilt z.B. bei

  • Artikeln mit besonderen Hygieneanforderungen, wenn Versiegelung geöffnet wurde (z.B. Rasierer).
  • Waren, die speziell für den Kunden angepasst wurden (z.B. persönliche Gravur).
  • Software, Tonträger, Filme, wenn die Versiegelung geöffnet wurde.
  • Zeitschriften und Zeitungen.
  • Beherbergung (z.B. im Hotel), wenn feste Termine angegeben sind.

Widerrufsrecht: Der Widerruf muss innerhalb einer Frist erklärt werden

Nach § 355 BGB kann der Verbraucher einen Widerruf innerhalb einer Frist von 14 Tagen erklären. Wird der Verbraucher bei Vertragsschluss nicht mittels Widerrufsbelehrung auf sein Widerrufsrecht hingewiesen (was grundsätzlich in der Rechnung, den Vertragsunterlagen oder den AGB erfolgen sollte), kann der Vertrag sogar bis zu einem Jahr rückgängig gemacht werden.

Um den Widerruf geltend zu machen, muss der Verbraucher diesen gegenüber dem Unternehmer erklären. Ein Grund für den Widerruf muss dabei nicht angegeben werden. Um noch rechtzeitig zu sein, muss die Widerrufserklärung innerhalb der 14 Tage bei dem Unternehmer angekommen sein. Allerdings enthält § 355 Abs. 1 S. 5 BGB eine Sonderregelung. Diese besagt, dass bei einem Widerruf per Brief, E-Mail oder Fax das Absenden innerhalb der 14 Tage ausreicht. Der Verbraucher sollte hierbei aber beweisen können, dass er die Erklärung rechtzeitig abgeschickt hat.

Sollte die Widerrufserklärung auf dem Versandweg verloren gehen, bleibt die Frist trotzdem gewahrt, wenn der Verbraucher die Erklärung unmittelbar wiederholt. Der Verbraucher sollte sich unbedingt erkundigen, ob sein Widerruf den Unternehmer erreicht hat, insbesondere dann, wenn der Unternehmer beispielsweise weiter liefert.

Widerrufsrecht: Das folgt aus dem Widerruf

Wurde ein Widerruf für wirksam erklärt, wird der Vertrag zwar aufgehoben, die Vertragsparteien sind aber nicht von allen Pflichten befreit. Vielmehr ist in § 357 BGB geregelt, dass empfangene Waren und die Bezahlung zurückgeleistet werden müssen. Der Verbraucher hat also sowohl ein Rückgaberecht als auch eine Rückgabepflicht. Seit Juni 2014 können Unternehmer in ihren AGB rechtmäßig festlegen, dass ein Verbraucher im Fall des Widerrufs die Kosten für die Rücksendung der Ware selbst tragen muss.

Die empfangenen Leistungen, also sowohl Waren als auch die Bezahlung, sind innerhalb von 14 Tagen zurück zu gewähren. Wurde die Ware beschädigt, muss der Verbraucher Wertersatz an den Unternehmer zahlen. Das gilt nicht, wenn die Ware nur ausgepackt und auf ihre Eigenschaften und Funktionen untersucht wurde.

Bei sogenannten verbundenen Geschäften können beide Verträge gemeinsam widerrufen werden. Das kann beispielsweise beim Kaufvertrag für ein Fahrzeug der Fall sein, das mit einem Autokredit finanziert wurde.

Im Internet können verschiedenste Widerruf-Musterschreiben heruntergeladen werden. Für den Verbraucher gilt jedoch erfreulicherweise, dass er sich nicht an besondere Formalien oder Muster halten muss. Es genügt, wenn aus der Erklärung des Verbrauchers eindeutig klar wird, dass er den Vertrag widerrufen will. Er muss dabei noch nicht einmal das Wort Widerruf benutzen. Auch bedarf die Erklärung keiner besonderen Form. Nach dem Widerrufsrecht kann eine Erklärung mündlich, telefonisch, per E-Mail, Brief oder Fax erfolgen. Aufgrund der späteren Beweismöglichkeit ist jedoch eine schriftliche Erklärung ratsam.

Ewiges Widerrufsrecht bei Formfehlern

Logischerweise kann die Widerrufsfrist nur ablaufen, wenn sie auch vorher begonnen hat zu laufen. Das setzt aber voraus, dass der Kunde auch korrekt über sein Widerrufsrecht und wesentliche Vertragsbestandteile informiert wurde. Hier sind insbesondere Banken und Versicherungen in der Vergangenheit aber häufig Formfehler unterlaufen. Beispielsweise waren Formulierungen nicht korrekt, Fristen unklar oder die Widerrufsbelehrung nicht ausreichend hervorgehoben. In solchen Fällen haben Verbraucher einen sogenannten „Widerrufsjoker“, den sie teilweise noch nach Jahren nutzen können.

Damit können Verbraucher elegant Verträge loswerden, die sich aus ihrer Sicht im Nachhinein als Fehler herausgestellt haben. Wichtige Beispiele sind:

Quellen: verbraucherzentrale.de, BGB

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