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Was sind die Folgen von Scheinselbstständigkeit und Werkvertrag?

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15. November 2016

Scheinselbstständigkeit: Der verdeckte Arbeitnehmer und welche Folgen dies haben kann

Für den juristischen Laien so gut wie nicht trennbar, hat die Unterscheidung zwischen einem Werkvertrag und einem Dienstvertrag erhebliche praktische Folgen. Ein Arbeitsvertrag stellt beispielsweise einen Dienstvertrag dar. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die vereinbarte Leistung erbracht werden muss und ein Abhängigkeits- beziehungsweise Weisungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht.

Bei einem Werkvertrag wird hingegen ein Erfolg, also beispielsweise die Erstellung eines Werkes geschuldet. Was im ersten Moment ziemlich eindeutig aussieht, erlangt vor allem bei der Bewertung von Scheinselbstständigkeit eine besondere Bedeutung. Bestimmte Tätigkeiten können sowohl in einem Arbeitsverhältnis, als auch im Rahmen eines Werkvertrags erfolgen.

In einem Arbeitsverhältnis wird der Arbeitnehmer besonders geschützt. Es gibt Regelungen zur Arbeitszeit, zum Kündigungsschutz, zum Urlaub und zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Außerdem müssen Sozialleistungen abgeführt werden. Schließt man mit einer Person jedoch keinen Arbeitsvertrag, sondern beauftragt diese im Rahmen eines Werkvertrags bestimmte Leistungen zu erbringen, gelten alle diese Regelungen nicht. Dies hatte in der Vergangenheit häufig zur Folge, dass ein Werkvertrag geschlossen wurde. Dadurch war die Person aber nur faktisch Mitarbeiterin des Unternehmens und somit scheinselbstständig.

Scheinselbstständigkeit: Klare Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitsvertrag

Im deutschen Vertragsrecht gilt der Grundsatz, dass es nicht darauf ankommt, mit welchem Wort ein Vertrag überschrieben ist. Vielmehr ist von Bedeutung, was mit dem Vertrag bezweckt und vor allem wie er ausgeführt wird. Die Problematik der Scheinselbstständigkeit findet sich vielmals im journalistischen Bereich.

Journalisten sind häufig freiberuflich tätig und bieten ihre fertigen Texte oder ihre Schreibfähigkeit vielen verschiedenen Unternehmen am Markt an. In diesem Fall liegt unproblematisch ein Werkvertrag vor. Doch was passiert, wenn ein selbstständiger Journalist nur (noch) für einen Auftraggeber tätig wird? Und bringen nicht Aufträge von Natur aus auch eine Weisungsgebundenheit mit sich, wenn beispielsweise der Auftraggeber ein Thema für den Text und eine Deadline vorgibt?

Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG – 10 AZR 282/12) benutzt einen Kriterienkatalog, um eine Abgrenzung zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Werkvertragsverhältnis zu ermöglichen und damit die Scheinselbstständigkeit zu verhindern:

1.    Ist ein ganz bestimmtes Arbeitsergebnis oder nur eine bestimmte Dienstleistung gefordert?
2.    Ist der Leistende weisungsgebunden und leistet fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit?

Um auf eine Weisungsgebundenheit zu schließen, werden unter anderem weitere Voraussetzungen bewertet. Beispielsweise Anwesenheitspflichten im Unternehmen, Verwendung von Unternehmensmitteln sowie Anweisungen hinsichtlich Inhalt, Tätigkeit, Durchführung oder Dauer der Tätigkeit, Pausenregelungen oder die grundsätzliche Eingliederung der Person in das Unternehmen. Zwar existieren all’ diese Abgrenzungskriterien, werden jedoch von jedem Gericht differenziert ausgelegt und bewertet. Eine klare Entscheidung für oder gegen eine Scheinselbstständigkeit und damit für oder gegen den wirksamen Werkvertrag kann per se nicht getroffen werden.

Scheinselbstständigkeit: Die Folgen sind drastisch

Die Aufdeckung einer Scheinselbstständigkeit kann einerseits der Beauftragte selbst herbeiführen, wenn er sich auf Rechte aus dem Arbeitsvertrag beruft, insbesondere Kündigungsschutz oder Urlaubsrecht. Er kann seinen Arbeitnehmerstatus vor dem Arbeitsgericht einklagen und gilt im Erfolgsfall als Arbeitnehmer.

Andererseits kommt es häufig in Verbindung mit dem Sozialversicherungsträger zu großen Problemen hinsichtlich der Scheinselbstständigkeit. Nach einer negativen Betriebsprüfung und einem Statusfeststellungsverfahren muss der Arbeitgeber die gesamten Sozialversicherungsbeiträge für alle Scheinselbstständigen nachbezahlen. Nicht selten treibt eine solche Nachzahlung Unternehmen in die Insolvenz.

Ein Statusfeststellungsverfahren kann aber auch freiwillig vor Abschluss des jeweiligen Vertrages erfolgen. Und zwar wenn Unsicherheiten bestehen, ob die gewünschte Tätigkeit tatsächlich als selbstständige Tätigkeit eingestuft werden kann. Dieses Verfahren wird bei der Clearingstelle der Rentenversicherung vorgenommen und sorgt für klare Verhältnisse. Im Zweifel ist ein Arbeitsvertrag die sichere Wahl. Zwar besteht für den Arbeitgeber dann eine große Anzahl an Verpflichtungen, dafür muss er später nicht mit Nachzahlungsforderungen und Klagen rechnen.

Tipps:

  • Arbeitnehmer: Im Zweifel können Sie Ihre Arbeitnehmereigenschaft vom Arbeitsgericht feststellen lassen.
  • Arbeitgeber: Prüfen Sie die Voraussetzungen für einen Werkvertrag genau: Die Folgen einer Fehlentscheidung sind enorm.
  • Arbeitgeber: Bei Unsicherheiten sollte unbedingt die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung kontaktiert werden.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung, BGB

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