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VW-Abgasskandal: Ihre Rechte, Urteile und betroffene Fahrzeuge

Wer einen vom Abgasskandal betroffenen Volkswagen erworben hat, kann grundsätzlich vom Kaufvertrag zurücktreten. (Foto: Sven Krautwald/fotolia)
28. September 2021

Der Abgasskandal ist nicht nur für VW ärgerlich. Auch für die Käufer der betroffenen Fahrzeuge kann der Dieselskandal mit einem Wertverlust, mit Nutzungseinschränkungen (zukünftige Fahrverbote in Innenstädten) und mit Schäden durch das Update der Motorsteuerung einhergehen – von der unbeabsichtigten Umweltverschmutzung ganz abgesehen. Wir erläutern hier …

Verjährung im VW-Skandal

Betroffene Fahrzeug-Besitzer sollten sich allmählich beeilen, ihren Schadensersatz gegen VW, Skoda, Audi, Seat oder Porsche durchzusetzen. Ansonsten könnte es sein, dass die Ansprüche aus dem Abgasskandal verjähren. Genau gesagt ist für viele betroffene VW-Modelle die Gewährleistung schon abgelaufen. Auch die ursprünglichen Ansprüche gegen die Hersteller sind bei den EA189-Motoren seit Ende 2019 verjährt. Allerdings haben die meisten Geschädigten nach einem BGH-Urteil noch Anspruch auf „Restschadensersatz nach § 852 BGB„, der meist (fast) dem vollen Schadensersatz entspricht.

Ob außerdem durch Mängel beim Update neue Ansprüche entstanden sind, wird noch gerichtlich geklärt. Beispielsweise ging das Landgericht Dortmund (Az.: 4 O 53/20 vom 28. August 2020) davon aus, dass lediglich eine Abschalteinrichtung gegen eine andere ausgetauscht wurde. Nicht verjährt sind die Ansprüche gegen den Hersteller bei den „großen“ Dieselmotoren ab 3,0 l aus dem VW-Konzern sowie beim EA288-Motor.

Für finanzierte Fahrzeuge (auch über Leasing) ergibt sich außerdem noch eine aussichtsreiche Alternative: Die Rückabwicklung durch Widerruf des Autokredits bzw. Leasing-Vertrags. Dies ist unabhängig vom Modell und voraussichtlich ohne Verjährung möglich.

Bis 30.9.2019 bot sich für die betroffenen Autobesitzer auch noch eine weitere Möglichkeit: Sie konnten sich in das Klageregister für die VW-Musterfeststellungsklage von ADAC und Verbraucherzentrale eintragen. Dadurch wurde auch die Verjährung gehemmt.

Ausführlicher dargestellt haben wir die verschiedenen Optionen und Verjährungsfristen in unserem Beitrag zu Optionen im Dieselskandal.

Rückabwicklung, Nachlieferung und Schadensersatz im VW-Abgasskandal

In den meisten Fällen bietet sich betroffenen Diesel-Fahrern vor allem ein Vorgehen gegen den Hersteller des Motors an – also VW oder Audi. (Skoda, Seat oder Porsche stellen keine eigenen Diesel-Motoren her, daher müssen betroffene Porsche-Besitzer beispielsweise gegen Audi vorgehen.) Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz ist Betrug bzw. sittenwidrige Schädigung durch die illegale Abschalteinrichtung. Nach einem wegweisenden BGH-Urteil haben VW-Kunden Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung haben. Wie hoch der Anspruch ausfällt, kann man mit unserem VW-Schadensersatz-Rechner oder unserer VW-Entschädigungs-Tabelle feststellen. Alternativ kann man auch pauschalen Schadensersatz verlangen. In der Vergangenheit haben Kläger dabei meist etwa 15-20% des Kaufpreises erhalten, der Ausgang des Verfahrens ist hier aber deutlich unsicherer.

Hat das Fahrzeug noch Gewährleistung, bietet sich zumindest bei Neuwagen noch eine zusätzliche Möglichkeit: Sofern bereits ein sauberes Nachfolgemodell auf dem Markt ist, kann man eine „Nachlieferung“ verlangen. Das bedeutet: Man gibt sein Fahrzeug ab und erhält dafür einen vergleichbar ausgestatteten Neuwagen der nächsten Generation – und das oft ohne Aufpreis.

Eine weitere Möglichkeit bietet sich Besitzern von finanzierten oder geleasten VW-Dieseln: Bei vielen Verträgen hat es Fehler in der Widerrufsbelehrung gegeben. Daher können die Kunden mit dem Widerrufsjoker Autokredit und Leasing rückabwickeln. Besonders attraktiv ist das, wenn beim Restwert-Leasing Nachzahlungen drohen.

Muss ich der Rückrufaktion im VW-Abgasskandal Folge leisten?

Viele VW-Kunden fragen sich, ob sie dem Rückruf folgen und das Update ihrer Motorsteuerung zulassen müssen. „Wenn man das Update nicht will, wird es auch nicht gemacht“, antwortet VW-Sprecher Nicolai Laude auf diese Frage. Der Kunde kann also frei entscheiden, er wird aber auf die möglichen Folgen hingewiesen. Das kann bedeuten, dass das Fahrzeug zwangsweise stillgelegt wird, beispielsweise weil der TÜV die Plakette verweigert oder die Zulassungsbehörde die Stilllegung direkt anordnet.

VW-Kunden könnten nach der Rückrufmaßnahme neue Mängel an ihrem Fahrzeug entdecken. Das Problem: Sie könnten dann nur schwer beweisen, dass die Rückrufaktion beispielsweise für einen Leistungsverlust, für Mehrverbrauch oder für defekte AGR-Ventile ursächlich ist.

Erfahrungen mit VW

Während VW-Kunden mit manipulierten Dieselmotoren in den USA großzügig mit Milliarden-Beträgen entschädigt werden, gab es für deutsche Kunden lange nichts. Nach den BGH-Urteilen gehen Volkswagen und Audi nach den Erfahrungen von Abgasskandal-Anwälten dagegen differenzierter vor:

Ansprüche, die nach den BGH-Urteilen klar bestehen, werden möglichst über Vergleiche abgewickelt. Dabei werden teilweise großzügige pauschale Entschädigungen angeboten. Das spart insbesondere Gerichtskosten. Allerdings trifft das nur auf einen Teil der – aus Sicht von Verbraucherschützern – berechtigten Ansprüche zu. Vor allem die Fälle von EA 189-Motoren, bei denen der Besitzer rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung geklagt hat, dürften inzwischen großenteils abgeschlossen sein.

Bei Fallkonstellationen, in denen die Rechtslage noch nicht konkret durch BGH-Urteile geklärt ist, wird dagegen meist weiter gemauert. Unter anderem versucht VW, Urteile im VW-Skandal möglichst lange zu vermeiden bzw. zu verschleppen und beispielsweise mit monatelangen Fristverlängerungs-, Terminaufhebungs- oder Befangenheitsanträgen Zeit zu schinden. Dies geschieht beispielsweise, indem der zuständige Anwalt das Mandat niederlegt, weshalb sich sein Nachfolger erst „einarbeiten“ muss. Auch bei der anschließenden Erfüllung des Urteils lässt sich Volkswagen gerne Zeit. Der Grund dafür ist einfach: Je länger der Prozess dauert, desto mehr Kilometer hat das Auto zum Zeitpunkt der Rückabwicklung. Dadurch fällt bei der Nutzungsersatz höher und damit die Erstattung niedriger aus.

Diesel-Kunden, die sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben, bot VW einen Vergleich an. Vermutlich wollte der Konzern damit möglichst viele Fälle loswerden, bevor ein BGH-Urteil vorliegt.

Übertriebenes Thermofenster beim Motor EA 288

Grundsätzlich ist es Autoherstellern erlaubt, die Abgasreinigung bei extremen Außentemperaturen abzuschalten oder einzuschränken, um den Motor zu schützen. Diese sogenannten „Thermofenster“ müssen aber eine Ausnahme sein, die den Motor vor unmittelbaren Schäden schützt. Viele Hersteller stehen in der Kritik, weil sie diese Thermofenster zu großzügig bemessen haben und die Abschaltung dadurch eher zur Regel als zur Ausnahme geworden ist.

Inzwischen musste Volkswagen einräumen, dass bei der Motorvariante EA 288 dieses Thermofenster so weit ausgelegt war, dass die Abgasreinigung nur noch in gut der Hälfte der Zeit mit voller Leistung läuft. Das EuGH-Diesel-Urteil hat das als unzulässig angesehen. Immerhin beteiligt sich VW aber freiwillig an den Kosten für eine Diesel-Nachrüstung.

Dem BGH reicht allerdings der reine Einsatz von Thermofenstern nicht für eine Diesel-Klage gegen den Hersteller aus. Einige Varianten des EA 288 setzen aber noch weitere Abschalteinrichtungen ein. Außerdem stellen Thermofenster einen „Sachmangel“ dar, den man im Rahmen der Gewährleistung geltend machen kann.

Der Motor EA 288 ist der Nachfolger des Skandalmotors EA 189 und steckt in vielen Modellen des VW-Konzerns.

Welche Fahrzeuge sind vom VW-Abgasskandal betroffen?

Folgende Fahrzeuge mit Dieselmotor sind im Rahmen des VW-Skandals von erhöhtem Stickoxid-Ausstoß (NOX, insbesondere Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid) betroffen, darunter insbesondere Diesel mit den von VW gebauten Motoren EA 189 und EA 288 sowie den Audi-Motoren EA 896, EA 897 und EA 898:

Vom Abgasskandal betroffene Volkswagen-Modelle

Vom Abgasskandal betroffene VW-Modelle mit erhöhten Stickoxid-Werten, Baujahre ab 2008:

Vom Abgasskandal betroffene Audi-Modelle

Vom Abgasskandal betroffene Audi-Modelle mit erhöhten Stickoxid-Werten:

Baujahre: ab 2009, teilweise bis zur aktuellen Produktion

Im August 2020 wurde bekannt, dass Audi wohl auch bei Benzin-Modellen eine Prüfstandserkennung einsetzt, um Abgastests zu bestehen. Im realen Fahrbetrieb werden die Stickoxid-Grenzwerte dann überschritten. Bisher ist noch nicht abschließend geklärt, welche Audi-Modelle von diesem neuen Abgasskandal betroffen sind, ein Gutachten gibt es bisher nur für folgendes Modell:

  • Audi Q5 TFSI 2.0 (Euro 6), Baujahr 2015

Weitere Informationen zum Thema haben wir in unserem Artikel zum Benziner-Abgasskandal zusammengetragen.

Vom Abgasskandal betroffene ŠKODA-Modelle

Vom Abgasskandal betroffene Skoda-Modelle mit erhöhten Stickstoffoxid-Werten:

Vom Abgasskandal betroffene Seat-Modelle

Vom VW-Abgasskandal betroffene Seat-Modelle mit erhöhten Stickoxid-Werten:

Vom Abgasskandal betroffene Porsche-Modelle

Nach unseren Informationen sind folgende Porsche-Modelle vom Abgasskandal betroffen, weil sie zu viele Stickoxide ausstoßen:

Durch eine Selbstanzeige von Porsche beim Kraftfahrtbundesamt ist nun klar, dass Porsche ebenfalls vom Abgasskandal bei Benzin-Modellen betroffen ist. Unter anderem wurden beim 911er manipulierte Fahrzeuge für die Zulassung verwendet. Weitere Informationen zum Abgasskandal bei Benzinmotoren von Porsche haben wir in einem eigenen Artikel zusammengetragen.

Weitere vom Abgasskandal betroffene Hersteller

Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits vor einiger Zeit festgestellt, dass auch moderne Modelle anderer Hersteller im realen Betrieb zu viele Stickoxide ausstoßen. Unabhängig davon, ob eine Manipulation bereits nachgewiesen ist, können viele Kaufverträge, die über einen Autokredit oder Leasing finanziert wurden, widerrufen werden.

Hier einige Autohersteller, die im Zuge des Abgasskandals ebenfalls ins Visier von Behörden und Verbraucherschützern geraten sind. Welche Modelle betroffen sind, ist der Redaktion aktuell nicht bekannt.

BMW

BMW-Diesel galten lange Zeit als „sauber“. Zumindest teilweise hat der Abgasskandal BMW aber ebenfalls erreicht. Für die Modelle M550d xDrive, 750Ld xDrive und 750d xDrive aus den Jahren 2012 bis 2017 musste BMW inzwischen selbst einräumen, dass diese mit einer falschen Softwareversion ausgerüstet wurden. Außerdem gehen Anwälte davon aus, dass auch BMW unzulässige Thermofenster eingesetzt hat. Davon wären die meisten BMW-Diesel-Modelle betroffen. Auch bei Fahrzeugen, die über einen  Autokredit finanziert wurden, stehen die Chancen auf eine Rückabwicklung gut.

PSA (Peugeot und Citroën) und Renault

Aufgrund von Untersuchungen der Antibetrugsbehörde DGCCRF hat die Pariser Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Es geht dabei um den Vorwurf der Täuschung über wesentliche Eigenschaften – in diesem Fall die Abgaswerte. Die Ermittlungen bei PSA beziehen sich dabei nur auf die „alten“ Marken des Konzerns.

Opel

Auch bei der PSA-Tochter Opel wurde offenbar getrickst. Das KBA teilte im Oktober 2018 mit, dass ein verpflichtender Rückruf für ein Softwareupdate bei 100.000 Fahrzeugen geplant ist. Aktuell sind vom Dieselskandal bei Opel die Modelle Zafira, Insignia und Cascada mit Euro-6-Dieseln aus den Jahren 2013-2016 betroffen.

General Motors

Gegen General Motors wurde in den USA eine Sammelklage eingereicht. Es geht dabei um schwere Pick-up-Trucks der Marken Chevrolet Silverado und GMC Sierra Duramax. Die vom Abgasskandal betroffenen Modelle stammen aus den Jahrgängen 2011 bis 2016.

Fiat Chrysler

Fiat Chrysler wurde vom US-Justizministerium wegen angeblich manipulierter Abgaswerte verklagt. Auch in Frankreich ermittelt die Staatsanwaltschaft. Es erscheint klar, dass Fiat eine zeitgesteuerte Abschalteinrichtung in vielen Modellen eingesetzt hat. Die Fahrzeuge sind daher nur so lange „sauber“ wie ein Abgastest dauert. Vom Fiat-Abgasskandal sind auch viele Wohnmobile betroffen.

Daimler / Mercedes-Benz

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat mehrere Standorte des Konzerns durchsuchen lassen. Auch hier geht es um den Vorwurf der Manipulation von Abgaswerten. Die amerikanischen Behörden haben außerdem inzwischen konkrete Hinweise auf sogenannte „Defeat Devices“ gefunden. Zumindest für den Vito, die C-Klasse und die G-Klasse hat das Kraftfahrtbundesamt einen Rückruf angeordnet.

Mitsubishi

Inzwischen scheint es auch einen Mitsubishi-Dieselskandal zu geben. Die Staatsanwaltschaft hat im Januar 2020 mehrere Standorte des japanischen Herstellers durchsucht.

Volvo

Ob auch Volvo vom Abgasskandal betroffen ist, steht noch nicht abschließend fest. Allerdings konnte die DUH zeigen, dass der XC60 bei niedrigen Temperaturen besonders viel Stickoxid ausstößt.

Toyota

Nach unseren Erkenntnissen konnte Toyota bisher nicht nachgewiesen werden, bei den Abgaswerten systematisch betrogen zu haben. Trotzdem musste im Abgasskandal Toyota in den USA 180 Mio. $ Strafe zahlen, weil sie Meldungen über Defekte nicht oder nicht rechtzeitig gemeldet hatten.

Urteile zum VW-Skandal

Zum VW-Abgasskandal sind inzwischen einige Urteile gefallen. Die neueren VW-Diesel-Urteile fallen in der Regel zu Gunsten der Kunden aus. Weitgehende Rechtssicherheit hat das VW-Urteil des BGH Ende Mai 2020 gebracht. Auf einer eigenen Seite haben wir eine (unvollständige) Liste an Diesel-Urteilen zusammengestellt.

Autoren

Markus Klamert ist Inhaber der Kanzlei Klamert & Partner aus München. Als Anwalt ist er Spezialist für Wirtschaftsrecht, Kapitalanlagerecht und Stiftungsrecht. Zusammen mit Rechtecheck hat er bereits tausenden Verbrauchern im Dieselskandal und beim Autokredit-Widerruf geholfen.

Robert hat als Diplomkaufmann und Wirtschaftsingenieur nicht nur die besten Voraussetzungen dafür, den reibungslosen Ablauf der Webseite sicherzustellen, sondern auch den perfekten Background, um vor allem komplexe Wirtschafts-Themen nutzerfreundlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Abgasskandal, Geldanlage, Kreditrecht, Flugrecht und Versicherung. Nach seinem Ausscheiden bei RECHTECHECK wechselte Robert zur Nürnberger Werbeagentur BESONDERS SEIN.

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