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Bußgeldkatalog 2022: Geschwindigkeit

Bei zu schnellem Fahren drohen Punkte & Fahrverbote, doch viele sind abwendbar. (Foto: Aleksei Demitsev/fotolia)
10. Januar 2022

Zusammenfassung

  • Im Bußgeldkatalog 2022 wurden Strafen für zu schnelles Fahren noch einmal erhöht. 
  • Laut einer Studie sind 56% der Bußgeldverfahren fehlerhaft.
  • In vielen Fällen lohnt sich ein Einspruch, um Punkte & Fahrverbote zu vermeiden.

Geblitzt worden und zu schnell gefahren? Es drohen hohe Bußgelder, bis zu 2 Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot. Das sind die aktuellen Strafen aus dem Bußgeldkatalog 2022 nach gefahrenen km/h, innerorts und außerorts:

Strafen für zu schnelles fahren innerorts

ÜberschreitungBußgeldPunkteFahrverbot
bis 10 km/h30 €Nein
11 – 15 km/h50 €Nein
16 – 20 km/h70 €Nein
21 – 25 km/h115 €1Nein
26 – 30 km/h180 €1Nein
31 – 40 km/h260 €21 Monat
41 – 50 km/h400 €21 Monat
51 – 60 km/h560 €22 Monate
61 – 70 km/h700 €23 Monate
mehr als 70 km/h800 €23 Monate

Strafen für zu schnelles fahren außerorts

ÜberschreitungBußgeldPunkteFahrverbot
bis zu 10 km/h20 € Nein
11 – 15 km/h40 €Nein
16 – 20 km/h60 €Nein
21 – 25 km/h100 €1Nein
26 – 30 km/h150 €1Nein
31 – 40 km/h200 €1Nein
41 – 50 km/h320 €21 Monat
51 – 60 km/h480 €21 Monat
61 – 70 km/h600 €22 Monate
über 70 km/h700 €23 Monate

Weitere Regelungen innerorts

Grundsätzlich müssen Sie innerorts von einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgehen, daneben werden Ihnen aber auch 30er-Zonen oder verkehrsberuhigte Bereiche (Spielstraßen) mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h (Schrittgeschwindigkeit) begegnen. Auf einzelnen Straßen gelten auch andere Höchstgeschwindigkeiten, dann aber in Form von Streckenverboten, die durch einzelne Schilder angekündigt werden. Für die Strafe nach dem Bußgeldkatalog ist unerheblich, in welcher davon Sie sich befinden – für Bußgelder, Punkte in Flensburg und Fahrverbote gilt stets, wie viel sie zum Zeitpunkt der Messung über der erlaubten Geschwindigkeit lagen.

So blüht Ihnen innerorts schon ab 21 km/h zu viel ein Bußgeld von 115 € sowie ein Punkt in Flensburg. Nach der StVO-Novelle müssen Sie ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h mit einem Monat Fahrverbot rechnen. Je nach Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung müssen Sie mit bis zu 800 € Bußgeld, 2 Punkten in Flensburg und bis zu 3 Monaten Fahrverbot rechnen.

Gut zu wissen: Bei schlechten Straßen- und Sichtverhältnissen ist die Fahrweise über die normalerweise gültigen Geschwindigkeitsbegrenzungen hinaus weiter anzupassen. Hält man sich nicht daran, kommen dieselben Strafen aus den Bußgeldkatalog-Tabellen zur Anwendung wie bei normalen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Allerdings gilt das erst ab einer Überschreitung von 20 km/h.

Bußgelder für Sonderfälle

Im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit gibt es eine Reihe von spezifischen Verkehrssituationen, in denen Sie mit weiteren Bußgeldern und teils sogar Punkten in Flensburg rechnen müssen. Dazu gehört etwa eine Strafe für zu langsames Fahren oder wenn Sie Ihre Geschwindigkeit nicht den Sichtverhältnissen anpassen – darunter fällt zum Beispiel das zu schnelle Fahren bei Nebel. Wer nur 50 Meter weit sieht, darf die 50 km/h nicht überschreiten, auch nicht auf Landstraßen und Autobahnen.

BeschreibungBuß­geldPunkteFahrverbot
Geschwin­digkeit in verkehrs­beruhig­tem Bereich nicht ein­gehalten (bis 10 km/h zu viel)20 €Nein
Geschwin­digkeit trotz Bahn­übergang,
schwierigen Straßenverhältnissen und schlechter Sicht nicht angepasst
100 €1 Nein
… dabei andere gefährdet120 €1 Nein
… dadurch Sachschäden verursacht145 €1 Nein
Durch zu hohe Geschwindigkeit, mangelnde Bremsbe­reitschaft oder ungenü­genden Seiten­abstand Kinder, Hilfsbe­dürftige oder Senioren gefährdet80 €1 Nein
Ohne triftigen Grund durch zu langsames Fahren den reibungs­losen Verkehrsfluss behindert20 € Nein

Hinweis: Die obenstehenden Tabellen gelten im Wesentlichen für PKW und Motorräder. Abweichende Regelungen gibt es für Fahrzeuge über 3,5 t, Fahrzeuge mit Anhängern sowie Busse. Besonders teuer wird es für Gefahrguttransporte, für die noch strengere Strafen gelten.

An einschlägigen Stellen werden oft nicht nur Abstandsmessungen durchgeführt, sondern auch Abstandsblitzer installiert.
An einschlägigen Stellen werden oft auch feste Blitzer installiert, um die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung zu überwachen.

Geschwindigkeitsüberschreitung in der Probezeit

Wer seinen Führerschein noch nicht länger als zwei Jahre besitzt, ist in der Probezeit. In der sind die Regeln etwas strenger und die Konsequenzen einer Verkehrs-Ordnungswidrigkeit härter als bei Fahrern, die die Probezeit schon hinter sich haben. Anders als viele vermuten, geht es dabei nicht nur um die vielzitierte 0,0-Promillegrenze bei Alkohol am Steuer, sondern auch um Geschwindigkeitsüberschreitungen.

In Sachen Geschwindigkeitsüberschreitung gilt in der Probezeit neben dem normalen Bußgeldkatalog: Wer mehr als 21 km/h zu schnell fährt, begeht einen A-Verstoß. Durch einen solchen verlängert sich die Probezeit auf insgesamt vier Jahre und der Fahranfänger muss verpflichtend an einem Aufbauseminar teilnehmen. Geschwindigkeitsübertretungen darunter werden zwar nach der Bußgeldtabelle geahndet, gelten aber nicht als B-Verstoß, sie wirken sich also nicht anders auf Sie aus als auf erfahrene Autofahrer.

Ab wie viel km/h zu schnell werde ich geblitzt?

Alternativ wird auch gerne gefragt: „Wie viel darf ich denn zu schnell fahren?“. Die simple Antwort darauf: gar nicht. Das jeweils niedrigste Bußgeld für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von bis zu 10 km/h gilt theoretisch ab 1 km/h zu schnell. Nur werden Sie ab diesem einen km/h normalerweise noch nicht geblitzt. Im Normalfall werden mindestens 3 km/h, teils sogar 3 bis 5 Prozent der Geschwindigkeit als Toleranz abgezogen. Letzteres allerdings erst ab um die 100 km/h. Wie hoch die Toleranz ausfällt, hängt also zum einen davon ab, wie schnell sie tatsächlich gefahren sind, zum anderen aber vom eingesetzten Messgerät. Die angewendete Toleranz finden Sie später auch auf dem Bußgeldbescheid vermerkt.

Wenn Sie bemerkt haben, dass Sie geblitzt wurden, ist es verführerisch, nachzurechnen, wie viel Sie zu schnell gefahren sind und die grobe Toleranz abzuziehen. Das bietet zwar einen ersten Anhaltspunkt, wird aber dadurch erschwert, dass Sie Ihrem Tacho auch nicht ganz vertrauen können. Im Zweifel wird er ein paar km/h schneller anzeigen, als Sie tatsächlich fahren, mit steigender Ungenauigkeit bei höheren Geschwindigkeiten. Wo Sie sich allerdings sicher sein können: Ihr Tacho wird niemals weniger anzeigen, als Sie fahren – das müssen Automobilhersteller garantieren können.

Mit zu hoher Geschwindigkeit geblitzt – was tun?

Ein Bußgeldbescheid ist wie jeder andere Bescheid einer Behörde anfechtbar. Ein Einspruch gegen den Bescheid muss immer schriftlich erfolgen – wer das auf eigene Faust versuchen möchte, kann das mit unserem Musterbrief für einen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid machen. Eine Aufhebung des Bußgeldbescheids wird man aber nur erreichen, wenn man das Folgende nachweisen kann: Entweder

  • … dass man nicht selbst gefahren ist, als der Wagen mit Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt wurde oder …
  • … dass der Bußgeldbescheid an sich fehlerhaft ist oder …
  • … dass nachweisliche Mängel bei der Geschwindigkeitsmessung vorgelegen haben.

Zwar sind solche Fehler sogar wahrscheinlich, etwa ein Drittel aller Bußgeldbescheide weist größere Fehler auf. Allerdings ist der Beweis verfälschter Messwerte für den Fahrer ohne sachkundige Hilfe nahezu unmöglich. Daher sind versierte Fachanwälte für Verkehrsrecht nicht nur eine große Unterstützung, sondern quasi schon fast ein Muss, wenn Sie ein drohendes Fahrverbot abwenden möchten. Diese erkennen häufig direkt nach der Akteneinsicht, weshalb eine Messung unverwertbar sein könnte und wissen auch, nach welchen Informationen Sie über die Bußgeldakte hinaus suchen müssen, um Ihnen zu helfen.

Es gab aber auch schon Urteile, laut denen die Messergebnisse von bestimmten Blitzer-Modellen nicht verwertbar sind. Ein Beispiel ist der Traffistar S350 vom Hersteller Jenoptik, der vom saarländischen Verfassungsgericht beanstandet wurde. Auch Modelle, die keine Mess-Stammdaten speichern, stehen hier auf der Kippe und könnten mittelfristig komplett aus dem Verkehr gezogen werden. Ohne Zugriff auf die Rohdaten fehlt dem geblitzten Bürger nämlich ein wichtiges Mittel, um seine Unschuld zu beweisen. So hat das Bundesverfassungsgericht 2020 entschieden, dass der Kläger Zugriff auf die Rohdaten bekommen muss. Unklar ist noch, was bei Messgeräten gilt, die keine Rohdaten speichern. Sollten die Ergebnisse solcher Blitzer-Anlagen nicht verwertbar sein, hätte das weitreichende Folgen für einige der dadurch bisher schon entstandenen Bußgeldbescheide.

Das OLG Frankfurt urteilte im November 2019 (Az. 2 Ss-OWi 942/19) sogar, dass die Behörden die Geschwindigkeitsmessung selbst durchführen müssen. Viele Gemeinden haben dagegen private Firmen mit dem „Blitzen“ beauftragt, sodass etliche Bußgeldbescheide angreifbar sein dürften.

Es gibt also eine Vielzahl möglicher Angriffspunkte, um Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einzulegen. Ohne einen Fachanwalt für Verkehrsrecht könnten Ihnen diese allerdings entgehen.

Fahrverbote umwandeln oder verschieben

Eine weitere Option, um die eigene Mobilität aufrechtzuerhalten: ein verhängtes Fahrverbot umwandeln oder verschieben. Nach § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalogverordnung kann ausnahmsweise ein Fahrverbot in ein Bußgeld umgewandelt werden. Meist wird dabei die Geldbuße verdoppelt. Ein Argument für eine Umwandlung in ein Bußgeld kann beispielsweise ein drohender Arbeitsplatzverlust sein. Ist der Temposünder allerdings Wiederholungstäter oder hat bereits Punkte in Flensburg, ist eine Umwandlung nahezu ausgeschlossen. Auch hier kann ein Verkehrsrechtsanwalt besser argumentieren als Sie selbst – er kennt die notwendigen Hebel, um Gerichte zu überzeugen schlicht besser als Sie.

Außerdem können Sie als Ersttäter innerhalb von vier Monaten den Zeitraum selbst festlegen, in dem das Fahrverbot gelten soll. Beispielsweise kann man das Fahrverbot dann im Urlaub „absitzen“. Auch, wenn Sie innerhalb der letzten zwei Jahre kein Fahrverbot kassiert haben, gelten Sie als Ersttäter.

Die StVO-Novelle 2020/2021 zu Geschwindigkeitsüberschreitungen

Im Zuge der StVO-Novelle 2020 wurde der Bußgeldkatalog großflächig aktualisiert. Das betraf auch die Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen. Das Problem: Große Teile der Novelle waren unwirksam. Rechtlich war die Lage damit zeitweise unklar und Bußgeldbescheide wurden von Gerichten aufgehoben.

2021 haben sich die Verkehrsminister der Länder und der Bundesverkehrsminister dann auf neue Strafen und Bußgelder geeinigt. Diese sind zum 9.11.2021 in Kraft getreten. Für ältere Verstöße gelten aber noch die vorhergehenden Bußgeldtabellen.

Quellen: Bußgeldkatalog-Verordnung, Fahrerlaubnisverordnung Anlage 13, VUT Sachverständigenstudie

Autoren

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