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VW-Vergleich: Angebot annehmen oder nicht?

20. April 2020

Die Vergleichs-Verhandlungen zwischen dem Volkswagen-Konzern und dem Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) im Rahmen der Musterfeststellungsklage zum Abgasskandal waren am 14.2.2020 zunächst gescheitert. Am 28.2.2020 wurde dann doch eine Einigung auf einen Vergleich im Dieselskandal verkündet. Der VW-Dieselskandal-Vergleich sollte ein Gesamtvolumen von 830 Mio. € haben. Hinzu kommen angeblich pauschale Anwaltskosten, die VW für die Kunden übernimmt.

Update: Das Angebot im Zuge der Musterfeststellungsklage ist inzwischen abgelaufen. Bei uns finden Sie Informationen zu aktuellen VW-Vergleichsangeboten.

Empfehlung für Betroffene: Prüfen Sie die Alternative einer Einzelklage vor Erhalt des VW-Vergleichsangebots und sichern Sie sich einen Platz in einem Einzelverfahren durch eine unverbindliche Vorregistrierung.

Wir klären in diesem Artikel folgende Punkte:

So sah der VW-Vergleich im Dieselskandal aus

Im VW-Vergleich sollte es eine pauschale Entschädigung zwischen 1.350 € und 6.257 € geben. Im Durchschnitt ist das VW-Vergleichsangebot recht gering ausgefallen. Die individuelle Höhe hing dabei vom Modell und Baujahr des Fahrzeugs ab. Im Durchschnitt sollte die Entschädigung 14,9 % des Kaufpreises betragen. Die individuellen Angebote gab es ab Ende März 2020. Dazu ist eine Listen mit der Diesel-Entschädigung nach Modell und Baujahr veröffentlicht worden. Danach gab es beispielsweise für einen Golf Plus von 2009 lediglich 1.811 € Entschädigung.

Das Vergleichs-Angebot von VW galt auch nur für einen Teil der Teilnehmer der Musterfeststellungsklage, die einen betroffenen EA189 Motor verbaut hatten.

Zusätzlich überahm VW die Anwaltskosten für die Begleitung des Vergleichs. Dabei konnte der Kunde seinen Anwalt frei wählen. Dafür sah der VW-Vergleich eine Pauschale von 190 € vor, sofern sich die Beratung auf das Vergleichsangebot bezog und zwischen 20.3. und 20.4.2020 stattfand. Außerdem zahlte VW die Anwaltskosten nur, wenn der Vergleich anschließend angenommen wurde. Für die Geschädigten war das eine Chance: Sie konnten sich von einem Anwalt zum VW-Vergleichsangebot beraten lassen. War der Vergleich die beste Option, zahlte VW die Kosten. War eine Individualklage besser, übernahm die Kosten i.d.R. die Rechtsschutzversicherung oder eine Prozessfinanzierung. Bei den Anwälten, mit denen Rechtecheck kooperiert, ist die Ersteinschätzung ohnehin kostenlos und die Berechnung der Ansprüche durch Rechtecheck natürlich auch:

Damit erhielten die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage zwar eine Entschädigung, sie blieben aber weiterhin auf ihren teils schwer verkäuflichen Fahrzeugen sitzen. Außerdem mussten Betroffene wohl auch auf Schadensersatzansprüche, die durch Folgeschäden des Software-Updates entstehen können, verzichten.

Wie ging es bei der Musterfeststellungsklage weiter?

Die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage hatten von VW ein Vergleichsangebot erhalten. Dieser Vergleich fiel teilweise deutlich schlechter aus, als es über ein Individualverfahren (Einzelklage) der Fall ist. Die Kunden sollten vom 20.3. bis zum 20.4.2020 Zeit haben, das Vergleichsangebot anzunehmen. Die Frist zur Annahme des VW-Vergleichs wurde aber bis zum 30.4.2020 verlängert. Anschließend hatten sie ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Damit waren VW-Vergleiche, die in der ursprünglichen Frist geschlossen wurden, noch vor dem BGH-Urteil zum VW-Skandal rechtskräftig.

Die VZBV hat die Musterfeststellungsklage nach § 610 Abs. 5 S. 1 und § 269 ZPO zurückgenommen. Die gute Nachricht für Teilnehmer der Musterfeststellungsklage: Durch die Rücknahme kamen die Betroffenen aus dem Prozess raus und können so Ihre Ansprüche individuell im Einzelverfahren geltend machen (wenn sie das VW-Vergleichsangebot nicht angenommen haben).

In diesem Fall galt es, schnell zu sein: Lediglich bis zum 30.4.2020 blieb den betroffenen Verbrauchern, um den Vergleich anzunehmen oder ihn abzulehnen und so aus der Musterfeststellungsklage auszusteigen. Noch schlimmer kam es für einen Großteil der Beteiligten an der Musterfeststellungsklage: Wer für den VW-Vergleich nicht infrage kam, ging im Rahmen des VW-Vergleichs leer aus. Für diese Kunden bleibt dann nur ein Einzelverfahren.

Hätte man das VW-Vergleichsangebot annehmen sollen?

Ob man das VW-Vergleichsangebot annehmen sollte, hing stark vom individuellen Fall ab. Insbesondere kam es darauf an, wie viel der Volkswagen-Konzern für das jeweilige Fahrzeug anbot. Außerdem sollte die Alternative abgewogen werden: Bei Einzelklagen sprechen die Gerichte den Kunden meist rund 15% des Kaufpreises zu oder alternativ eine Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises. Von der Erstattung wird dann meist eine geringe Nutzungsentschädigung abgezogen, die von den gefahrenen Kilometern abhängt.

Die Entschädigung im Rahmen des VW-Vergleichs blieb damit (mit voraussichtlich 14,9 % des durchschnittlichen Kaufpreises) wohl unter den Entschädigungen, die Gerichte den Kunden meist zusprechen (ca. 15 – 20 %). Außerdem waren die in den Listen zum VW-Vergleich vorgesehenen Pauschalen sehr grob und spiegelten meist nicht den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs wider. Auch im Vergleich mit der Rückgabe dürfte sich das Vergleichsangebot von VW nur für Fahrer mit sehr hohen Kilometerständen oder Modelle mit Basisausstattung gelohnt haben. Zudem verzichtete man beim Vergleichsangebot auf Gewährleistungsansprüche, die aufgrund der Software-Updates entstanden.

Am besten war es, beide Alternativen konkret miteinander zu vergleichen. Bei uns können vom Abgasskandal betroffene Diesel-Fahrer ausrechnen oder in einer Entschädigungs-Tabelle nachschlagen, was ihnen bei einer individuellen Diesel-Klage zusteht.

Außerdem gab es nicht für jeden vom Abgasskandal betroffenen Diesel-Kunden auch ein Vergleichsangebot von VW. Wer sich nicht der Musterfeststellungsklage angeschlossen hatte oder keinen EA189-Motor besitzt, kann sich ebenfalls bei uns informieren, wie viel Schadensersatz ihm zusteht.

Vergleich von VW-Vergleichsangebot und individueller Diesel-Klage

Ob eine individuelle Klage besser ist als das „VW-Vergleichsangebot 2020“, hing von mehreren Faktoren ab. Zunächst einmal waren viele Diesel-Kunden vom VW-Vergleich ausgeschlossen. Für die Anderen kam es auf ihre persönliche Situation an. Verbraucherschutz-Anwälte berichten nach hunderten Telefonaten mit Teilnehmern der Musterfeststellungsklage, dass das VW-Vergleichsangebot meist deutlich unter den Zahlungen lag, die in Urteilen oder individuellen Vergleichsverhandlungen durchgesetzt werden.

Im Folgenden stellen wir ein paar Beispiele vor, bei denen der Kunde mit einer individuellen Diesel-Klage besser weggekommen ist als das VW-Vergleichsangebot gebracht hätte. Bei den Beispielen handelt es sich um Fälle, bei denen das Auto zurückgegeben wurde und bei denen sich der Kunde nicht der Musterfeststellungsklage angeschlossen hatte.

Urteil des OLG Hamm vom 20.01.2020 (Az. 13 U 40/18): Der Kunde kann einen 12 Jahre alten Tiguan 2.0 TDI, den er für 38.985 € gekauft hatte, für 27.677,41 € zurückgeben und erhält zusätzlich ca. 3.000 € Zinsen. 14,9 % des Kaufpreises wären ca. 5.800 €. Das VW-Vergleichsangebot hätte sich auf 1.971 € belaufen.

Urteil des OLG Koblenz vom 12.6.2019 (Az. 5 U 1318/18): Ein Verbraucher kann seinen 7 Jahre alten VW Sharan 2.0 TDI für 25.616,10 € plus Zinsen zurückgeben. Das Fahrzeug hatte er vor 4 Jahren für 31.490 € gebraucht gekauft. Eine Entschädigung von 14,9 % des Kaufpreises wären 4.692,01 €, der VW-Vergleich sah lediglich 3.861 € vor.

Neben dem rein finanziellen Vergleich zwischen Einzelklage und VW-Vergleich kommt es außerdem noch auf die Risikofreudigkeit des Diesel-Kunden an: Das Vergleichsangebot dürfte für viele der „Spatz in der Hand“ sein. Allerdings ist auch die „Taube auf dem Dach“ dank der BGH-Urteile, Rechtsschutzversicherung und Prozesskostenfinanzierung nicht mehr besonders risikobehaftet.

Wer konnte am VW-Vergleich teilnehmen?

Das Vergleichsangebot von Volkswagen galt nur für Kunden, die sich der Musterklage des VZBV gegen VW angeschlossen hatten. Und auch dann galt das Angebot für einen Großteil der Diesel-Kunden, die sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben, nicht. Die Musterfeststellungsklage bezog sich nämlich ausschließlich auf Diesel-Fahrzeuge, die mit dem Motor EA189 ausgestattet sind. Dieser Motor ist der Auslöser des VW-Dieselskandals und wurde lange Zeit in Modellen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda eingebaut. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich einige Volkswagen-Kunden der Musterklage angeschlossen haben, obwohl sie ein Fahrzeug mit einem anderen Motor besitzen.

VW selbst schrieb auf seiner Homepage, dass das Vergleichsangebot nur für Diesel-Kunden gilt, auf die alle der folgenden Bedingungen zutreffen:

  • Das Fahrzeug hat einen EA189-Motor.
  • Der Kunde hat sich ins Klageregister der Musterfeststellungsklage eingetragen (und sich nicht wieder abgemeldet).
  • Der Käufer hatte beim Erwerb seinen Wohnsitz in Deutschland.
  • Das Auto wurde zwischen 1.11.2008 und 31.12.2015 gekauft.
  • Der Kunde ist der letzte in das Klageregister eingetragene Käufer, der das Auto vor dem 1.1.2016 erworben hat. (Damit soll eine Mehrfach-Entschädigung für Gebrauchtwagen verhindert werden.)
  • Der Kunde ist privater Eigentümer des Fahrzeugs.
  • Die Ansprüche wurden nicht an Dritte abgetreten, z.B. an MyRight.
  • Der Diesel ist nicht geleast.

Gebrauchtwagen scheinen dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen zu sein. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass das VW-Vergleichsangebot nur für ca. 260.000 Diesel-Käufer gilt. Fast 200.000 Kunden sind also vom VW-Vergleich ausgeschlossen, obwohl sie sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben. Der VW-Vergleich bezieht sich dabei voraussichtlich insbesondere nicht auf folgende Fälle:

  • Den EA288-Motor (Nachfolger des EA189).
  • Die Dieselmotoren mit großem Hubraum ab ca. 3.0 l (EA897 und EA898), die insbesondere in den Oberklasse-Modellen von Audi und VW verwendet wurden.
  • Die Modelle von Porsche.
  • VW-Diesel-Kunden, die beim Kauf nicht in Deutschland gelebt haben. Damit sind u.a. VW-Kunden aus Österreich, der Schweiz und Luxemburg ausgeschlossen.
  • Gewerbliche Fahrzeugbesitzer (Firmenwagen).
  • Fahrzeuge, die ab 2016 gekauft wurden.
  • Kunden, die sich nicht der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben.

Bei diesen Fällen und Modellen haben die Kunden aber oft ebenfalls Anspruch auf Rückabwicklung bzw. Schadensersatz.

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