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Schadensersatz, Rückrufe und betroffene Fahrzeuge beim Mercedes OM 642-Motor

8. November 2021

Der OM 642-Motor ist ein V6-Dieselmotor von Mercedes-Benz. Das bedeutet, dass sich seine 3,0 Liter Hubraum auf 6 Zylinder verteilen, die nicht in einer Reihe, sondern V-förmig gegeneinander versetzt angeordnet sind. Daimler setzt den OM 642 seit 2005 in verschiedenen Modellen ein. Wie viele andere moderne Motoren setzt der OM 642 zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes sowohl auf einen SCR-Kat als auch auf Abgasrückführung. Allerdings hat offenbar auch der OM 642 dabei illegale Abschalteinrichtungen eingesetzt, weshalb viele Fahrzeuge vom Abgasskandal betroffen sind. Das bedeutet für die Besitzer zum einen, dass sie einen Zwangsrückruf für ihre Fahrzeuge bekommen (haben). Zum anderen haben die Besitzer aber auch Anspruch auf Schadensersatz.

Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge mit OM 642-Motor

Der OM 642-Motor wird in vielen Fahrzeugen von Mercedes eingesetzt, allerdings nicht in Kleinwagen, für die der V6-Diesel überdimensioniert wäre. Untypisch für Mercedes ist, dass sich die Typenbezeichnungen (280, 300, 320 und 350) der Varianten mit unterschiedlicher Leistung auf Motorvarianten des OM 642 beziehen, die alle denselben Hubraum (3,0 l) haben. Betroffene Modelle sind dabei:

Zusätzlich zu den genannten Fahrzeugen mit OM 642-Motor gibt es weitere Mercedes-Fahrzeuge, die vom Diesel-Abgasskandal betroffen sind. Das gilt beispielsweise für Modelle mit OM 651-Motor. Außerdem sind gerade die großen OM 642-Motoren beliebt bei Wohnmobilen auf Mercedes-Basis.

Rückrufe für Mercedes mit OM 642-Motor

Als die Abschalteinrichtungen bei Mercedes-Fahrzeugen mit OM 642-Motor bekannt wurden, wollte Daimler diese zunächst mit einer „freiwilligen Servicemaßnahme“ beseitigen. Das Kraftfahrtbundesamt ordnete jedoch einen verpflichtenden Rückruf an. Damit droht den Haltern der betroffenen Fahrzeuge die Stilllegung, wenn sie das Software-Update nicht machen lassen. Mercedes hat inzwischen viele Modelle mit OM 642-Motor zurückgerufen. Dabei wurde insbesondere der interne Rückruf-Code 5496121 verwendet.

Für betroffene Mercedes-Fahrer bedeutet der Rückruf für den OM 642-Motor aber ein Risiko: Bei ähnlichen Updates von VW berichteten die Besitzer oft von Mehrverbrauch (Diesel und AdBlue), weniger Leistung und unrundem Lauf. Außerdem werden solche Rückrufe auch mit verstärkten Rußablagerungen am AGR-Ventil und undichten AGR-Kühlern in Verbindung gebracht. Hintergrund ist, dass nach Entfernung der illegalen Abschalteinrichtungen die Abgasrückführung beim OM 642 auch im Normalbetrieb viel stärker eingesetzt wird – und Bauteile, die belastet werden, gehen eher kaputt.

Schadensersatz für Besitzer betroffener Fahrzeuge

Der BGH hat bereits im Fall von VW festgestellt: Ein Autohersteller, der bewusst eine illegale Abschalteinrichtung in seine Fahrzeuge einbaut, begeht eine „sittenwidrige Schädigung“ und muss deshalb Schadensersatz leisten. Da es bei Daimler noch keine Grundsatzurteile gibt, muss man daher noch im Einzelfall beweisen, dass das eigene Auto eine Abschalteinrichtung verwendet. Da hierfür oft teure Gutachten nötig werden, empfiehlt sich hier eher eine Diesel-Klage mit Rechtsschutzversicherung oder eine Prozessfinanzierung.

Die Entschädigung erfolgt in Form einer Rückabwicklung: Der Kunde gibt sein Auto zurück und erhält dafür seinen Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung. Dabei ist die Nutzungsentschädigung meist niedriger als der Wertverlust.

Im Gegensatz zu Volkswagen hat Daimler beim OM 642-Motor nie zugegeben, vorsätzlich illegale Abschalteinrichtungen eingesetzt zu haben. Daher dürfte für den Schadensersatz von Mercedes die reguläre Verjährungsfrist (3 Jahre zum Jahresende ab Kenntnis) frühestens mit der Zustellung des Rückrufs begonnen haben und daher meist noch laufen. Da der OM 642 aber schon sehr lange produziert wird, könnte bei einigen Fahrzeugen bereits die absolute Verjährung eingetreten sein. Diese tritt 10 Jahre nach dem Kauf ein.

Hintergrund: Abschalteinrichtungen beim OM 642-Motor

Daimler soll beim OM642-Motor eine Kombination von illegalen Abschalteinrichtungen eingesetzt haben. So soll die Abgasrückführung nur in bestimmten Temperaturbereichen („Thermofenster“) voll eingesetzt worden sein. Außerdem sollen die Fahrzeuge über eine Art der Fahrzykluserkennung verfügen, die dafür sorgt, dass im Realbetrieb weniger AdBlue in den SCR-Kat eingespritzt wird als auf dem Prüfstand.

Laut einem Gutachten (1), das die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht hat, konnten in einer E-Klasse mit OM 642-Motor sogar 8 verschiedene illegale Abschalteinrichtungen nachgewiesen werden. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Mercedes E 350 BlueTEC 4MATIC T mit 190 kW Leistung und 2987 ccm Hubraum.

Sechs der Abschalteinrichtungen sorgen dafür, dass der OM 642-Motor in einen „Alternativmodus“ geschaltet wurde. In diesem Modus wird zum Einen kein AdBlue im SCR-Katalysator gespeichert, sondern nur „nach Bedarf“ dosiert. Zum Anderen wird dabei auch noch der Zielwert für die Stickoxid-Reduzierung abgesenkt. In der Folge kommt die Stickoxid-Reduktion im realen Fahrbetrieb fast nie über 80% hinaus, sehr oft werden die Stickoxide auch ungefiltert hinausgeblasen. Die Auslöser für diese Abschalteinrichtungen haben keine erkennbaren technischen Gründe, abgesehen von der Einsparung von AdBlue:

  • Abgasmassestrom von 170 kg pro Stunde (das entspricht etwa 100 km/h).
  • Stickoxid-Massestrom von 15 mg pro Sekunde.
  • Temperatur der angesaugten Luft unter 12°C.
  • Temperatur des SCR-Katalysators über 50°C innerhalb der ersten 20 Sekunden (Warmstart).
  • Temperatur des SCR-Katalysators über 300°C.
  • Durchschnittlicher AdBlue-Verbrauch über 0,082 Liter pro 100 km.

Teilweise gelten diese Grenzen erst nach einer (vom System geschätzten) „Alterung“ des Katalysators von 1% bzw. 20% der erwarteten Lebensdauer. Damit erscheinen Neuwagen (die für die Zulassungstests eingesetzt werden) sauber. Schon nach relativ kurzer Zeit werden die Fahrzeuge aber deutlich dreckiger.

Zwei weitere Abschalteinrichtungen sorgen dafür, das die Rate der Abgasrückführung (AGR) praktisch nur auf dem Prüfstand optimal ist. In anderen Fahrsituationen wird die AGR-Rate dagegen stark reduziert, meist sogar abgeschaltet. Die eine Abschalteinrichtung reduziert dabei die AGR-Rate auf Null, wenn bestimmte Kombinationen von Motortemperatur beim Start und Höchsttemperatur des Motors während der Fahrt zutreffen (unabhängig von der aktuellen Motortemperatur). Die Abgasrückführung wird deaktiviert, wenn

  • Die Starttemperatur unter 18°C und die Höchsttemperatur über 40°C liegt.
  • Die Starttemperatur zwischen 18°C und 35°C und die Höchsttemperatur über 86°C liegt.
  • Die Starttemperatur über 35°C und die Höchsttemperatur über 60°C liegt.

Abgastests finden zwischen 20°C und 30°C statt. Die andere Abschalteinrichtung setzt im Leerlauf bei aktuellen Motortemperaturen über 90°C ein.

Durch das vom KBA angeordnete Software-Update wurden laut dem Gutachten diese Abschalteinrichtungen weitgehend entfernt. Dadurch liegt der Wirkungsgrad der Stickoxid-Reduzierung jetzt meist über 80%. Allerdings hat sich der AdBlue-Verbrauch dadurch mehr als verdoppelt auf 0,161 Liter pro 100 km. Weitere Nachteile des Software-Updates wurden in dem Gutachten nicht untersucht. Durch den häufigeren Einsatz wird aber sicherlich das AGR-System stärker belastet, wodurch mehr Defekte an AGR-Ventil und AGR-Kühler zu erwarten sind.

Quelle: (1) Gutachten der DUH.

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