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Diesel-Abgasskandal in Österreich: Wo klagen?

17. August 2021

Der Abgasskandal betrifft auch viele Diesel-Fahrer in Österreich. Da die Fahrzeuge (und Motoren) dabei aber aus dem Ausland stammen, stellt sich für sie die Frage, wo sie ihre Klage auf Schadensersatz einreichen können. Da es dabei mehrere Optionen gibt, müssen sie außerdem entscheiden, wo die Klage am meisten Sinn macht. Diese Fragen beantwortet RECHTECHECK in diesem Beitrag.

Wo kann ich im Abgasskandal Klage einreichen?

Für eine Klage im Abgasskandal haben Österreicher grundsätzlich 3 Optionen:

In der EU können Verbraucher ihre Klage gegen ein Unternehmen grundsätzlich bei dem für dessen Sitz zuständigen Gericht einreichen. Das gilt auch im Diesel-Abgasskandal. Dabei ist zu beachten, dass in Deutschland bei Streitwerten bis 5.000 € das Amtsgericht, bei höheren Streitwerten das Landgericht zuständig ist. In Italien wird die Grenze bei 2.582,28 € gezogen. Damit ergeben sich folgende Zuständigkeiten:

  • Volkswagen: Amtsgericht Wolfsburg bzw. Landgericht Braunschweig
  • Audi: Amtsgericht Ingolstadt bzw. Landgericht Ingolstadt
  • Mercedes-Benz: Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt bzw. Landgericht Stuttgart
  • Opel: Amtsgericht Rüsselsheim bzw. Landgericht Darmstadt
  • BMW: Amtsgericht München bzw. Landgericht München I
  • Fiat (inkl. vieler Wohnmobile auf Ducato-Basis): Friedensgericht Turin bzw. Landesgericht Turin

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Diesel-Motoren alle von Audi oder Volkswagen hergestellt werden. Da es nach einem BGH-Urteil am sinnvollsten ist, den Motorhersteller zu verklagen, kann man daher auch wegen Modellen von Seat, Skoda oder Porsche seine Klage in Wolfsburg, Braunschweig bzw. Ingolstadt einreichen – je nach betroffenem Motor und Streitwert.

Nach einem EuGH-Urteil vom 9.7.2020 (Rechtssache C 343/19) können österreichische Verbraucher im Abgasskandal allerdings auch an ihrem Wohnsitz Klage einreichen. Hintergrund ist dabei, dass es sich um einen „deliktischen Anspruch“ handelt – dafür gibt es eine Sonderregelung im EU-Recht. Dann reicht man die Klage bei dem Zivilgericht ein, das für den eigenen Heimatort zuständig ist.

Wer das vom Abgasskandal betroffene Fahrzeug nicht in Österreich gekauft hat, kann grundsätzlich auch dort klagen, wo der Händler seinen Sitz hat. Auch Klagen gegen den Händler (im Rahmen der Gewährleistung) werden an dessen Sitz eingereicht.

Die Entscheidung des EuGH betrifft allerdings nur den Gerichtsstand. Welches Recht angewendet wird, ist noch umstritten. Es kann also durchaus sein, dass deutsche Richter österreichisches Recht anwenden– oder umgekehrt.

Wo sollte ich im Abgasskandal Klage einreichen?

Vom Abgasskandal betroffene Österreicher haben damit die Qual der Wahl. Welchen der möglichen Gerichtsstände die Kunden wählen, liegt in ihrem Ermessen. Das eigene „Wohnort-Gericht“ in Österreich ist sicher die bequemste Lösung. Betrogene Österreicher sollten aber auch andere Faktoren in Betracht ziehen:

  • In Deutschland gibt es schon mehrere BGH-Urteile zu verschiedenen Aspekten im Abgasskandal. Daher ist die Rechtslage weitgehend klar: Hat der Hersteller bewusst rechtswidrig gehandelt, kann der Kunde pauschalen Schadensersatz oder eine Rückabwicklung fordern. In Österreich gibt es dagegen noch kein Urteil des Obersten Gerichtshofs. Daher ist in Österreich die Rechtslage noch wesentlich unsicherer. In Italien steht die Aufarbeitung des Abgasskandals sogar noch ganz am Anfang.
  • Die Instanzgerichte in Deutschland gelten als unterschiedlich verbraucherfreundlich. So stehen die Chancen für betroffene Kunden in Stuttgart deutlich besser als in Braunschweig. Auch in Österreich urteilen die Gerichte unterschiedlich. Es kommt also auf den eigenen Wohnort und den Motorhersteller an.
  • Die Anreise nach Deutschland ist für Österreicher beschwerlicher als zum Gericht am eigenen Wohnort. Allerdings verzichten viele deutsche Richter inzwischen auch auf die Anwesenheit des Klägers.
  • Die Rechtsschutzversicherung muss innerhalb der EU i.d.R. unabhängig vom Gerichtsstand zahlen.

Welche Option im Einzelfall die beste ist, hängt letztlich von den persönlichen Präferenzen des Kunden und von der Fallkonstellation ab. Daher sollte man sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Bei Rechtecheck kann man kostenlos prüfen, ob man vom Abgasskandal betroffen ist und wie viel Schadensersatz man (nach deutschem Recht) bekommen kann. Anschließend kann man eine kostenlose Ersteinschätzung von einem Anwalt bekommen.

Quellen: Volltext des EuGH-Urteils, gerichtsstand.net

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