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VW-Skandal: Wie Aktien-Anleger Schadensersatz bekommen

29. Mai 2017

Warum können Anleger von VW und Porsche Schadensersatz fordern?

Nicht nur die Besitzer der vom VW-Skandal betroffenen Auto-Modelle können auf Schadensersatz hoffen, sondern auch viele Aktien-Anleger. Mit den Regelungen zum Schadensersatz für Anleger soll der Insiderhandel unterbunden werden.

Andernfalls hätten eingeweihte Mitarbeiter die Möglichkeit, durch Börsengeschäfte von ihrem Insiderwissen zu profitieren – beispielsweise, indem sie ihre eigenen Aktien rechtzeitig abstoßen. Geregelt ist das in § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG:

„Unterlässt es der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft, ist er einem Dritten zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn […] der Dritte die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und er bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist […]“

Im Fall des VW-Abgasskandals kann man davon ausgehen, dass der Vorstand bereits lange über das Ausmaß der Manipulationen Bescheid wusste ohne die Öffentlichkeit zu informieren. Selbst VW selbst prüft offenbar, ob dadurch Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Manager bestehen. Daher ist VW grundsätzlich verpflichtet, betroffenen Anlegern Schadensersatz zu zahlen.

Da die Porsche Automobil Holding SE als Holdinggesellschaft Hauptanteilseigner der Volkswagen AG ist, ist auch sie verpflichtet, Insiderinformationen, die VW betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen. Da Porsche dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, können auch Anteileigner der Porsche Automobil Holding SE Schadensersatz von ihrer Gesellschaft fordern.

Im Folgenden erklären wir:

Zeitlicher Ablauf des VW-Skandals: Welche Aktienkäufe sind betroffen?

Damit einem Aktionär im VW-Abgasskandal überhaupt ein Schadensersatz zusteht, muss er seine Aktien im richtigen Zeitraum gekauft haben. Nach dem oben zitierten § 37b WpHG müssen die VW-Aktien erworben worden sein, nachdem Volkswagen verpflichtet gewesen wäre, die Insiderinformationen zu veröffentlichen.

Außerdem kann der Schadensersatz kaum durchgesetzt werden, wenn die VW-Aktien bereits vor der offiziellen Veröffentlichung der Manipulationen durch die Volkswagen AG verkauft wurden. Allerdings kann man darüber streiten, ob die Insiderinformationen bereits vorher im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes „bekannt“ geworden sind.

Wann Volkswagen zu einer Veröffentlichung verpflichtet gewesen wäre und wann die Insiderinformationen bekannt geworden sind, werden voraussichtlich die Gerichte klären müssen. Hier ein Überblick über die infrage kommenden Zeitpunkte, die im Wesentlichen aus einer Untersuchung des amerikanischen Repräsentantenhauses stammen:

  • 2007 (oder früher): Der Einsatz der Manipulationssoftware wird beschlossen.
  • 2009 (oder früher): Seit diesem Modelljahr wird die Manipulationssoftware eingesetzt. Allerdings ist unklar, ob und wann der Vorstand davon Kenntnis hatte und man war Volkswagen auch noch nicht auf die Schliche gekommen.
  • Mai 2014: Die West Virginia University veröffentlicht eine Studie, die die erhöhten Abgaswerte belegt. In der Folge werden die amerikanischen Aufsichtsbehörden aktiv. Neuere Erkenntnisse legen nahe, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt auch der VW-Vorstand informiert war.
  • 2.12.2014: Volkswagen schlägt in den USA einen freiwilligen Rückruf vor, bei dem ein Software-Update Fehler in der Motorsteuerung beheben soll. Eine absichtliche Manipulation wird nicht zugegeben. Die Updates erfolgen in den nächsten Monaten.
  • 8.7.2015: Die Aufsichtsbehörde CARB konfrontiert VW mit Messergebnissen, die belegen, dass das Update kaum Verbesserungen gebracht hat.
  • August 2015: EPA und CARB verweigern VW die Zulassung für die Fahrzeuge des Modelljahres 2016. Diese kann erst erteilt werden, wenn die Vorwürfe geklärt sind.
  • 3.9.2015: Gegenüber EPA und CARB gibt VW zu, eine Abschalteinrichtung eingesetzt zu haben.
  • 20.9.2015: Martin Winterkorn als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG gibt öffentlich zu, dass VW bei US-Modellen eine Abschalteinrichtung verwendet hat.
  • 22.9.2015: VW veröffentlicht eine offizielle Ad-Hoc-Mitteilung. Daraus geht hervor, dass weltweit Fahrzeuge betroffen sind und Rückstellungen gebildet wurden. Die Gewinnprognose wurde entsprechend angepasst.

Wie viel Schadensersatz können Anleger im VW-Skandal bekommen

Auch über die konkrete Höhe des Schadensersatzes werden wohl Gerichte entscheiden müssen. Eine wahrscheinliche Möglichkeit ist, dass die Anleger den sogenannten Kursdifferenzschaden ersetzt bekommen. Das wären die Kursabschläge, die etwa um die offizielle Ad-Hoc-Mitteilung bzw. das Schuldeingeständnis von Martin Winterkorn herum entstanden sind. Das wären knapp 60 € pro Aktie. Denkbar wäre auch ein Rückkauf der Aktien zum Einstandskurs, da ohnehin schwer einzugrenzen ist, wann die Manipulationen „bekannt“ wurden.

Musterklagen gegen VW nach Kleinanlegerschutzgesetz

In Deutschland gibt es keine Sammelklagen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz eine einzelne Klage als Muster zu führen, bei der dann gleichartige Tatsachen- und Rechtsfragen auch für die folgenden Einzelprozesse verbindlich geklärt werden. Dazu müssen sich die betroffenen Anleger der Musterklage anschließen.

VW-Aktionäre konnten sich  bis zum 18.9.2017 einer Musterklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig anschließen. Für Porsche-Aktionäre gibt es ein Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart, das ebenfalls bereits begonnen hat.

Verjährung des Schadensersatzes

Seit einer Gesetzesreform, die am 10.7.2015 in Kraft trat, verjähren auch die Schadensersatzforderungen von Kleinanlegern nach drei Jahren zum Jahresende. Die Frist beginnt dabei, wenn der Aktionär von seinem Anspruch erfährt, beim VW-Skandal also im Herbst 2015. Daher sind die Schadensersatzansprüche möglicherweise mit dem 31.12.2018 verjährt, sofern die Volkswagen-Aktionäre bis dahin keine Klage eingereicht haben.

Allerdings dürfte auch hier erst vor Gericht geklärt werden, wann die Frist zu laufen beginnt. Da Volkswagen und Porsche bisher vehement bestreiten, dass ihren Vorständen ein Fehlverhalten anzulasten ist, könnte die Verjährung auch noch gar nicht begonnen haben.

Etwas umstritten ist die Lage bei VW-Anteilseignern, die ihre Aktien vor dem 10.7.2015 gekauft haben. Vereinzelt argumentieren Anwälte, für sie würde noch die alte Verjährungsfrist gelten – und die war noch früher abgelaufen.

Zum Thema Verjährung im Dieselskandal haben wir auch eine ausführlichere Seite.

Zahlt die Rechtsschutzversicherungen Anleger-Klagen gegen VW?

Grundsätzlich muss die Rechtsschutzversicherung auch bei einer Anleger-Klage gegen Volkswagen oder Porsche einspringen, sofern der Vertrag auch Streitigkeiten im Zusammenhang mit Kapitalanlagen abdeckt. Allerdings sind gerade Kapitalanlagen bei vielen Rechtsschutzversicherungen ausgeschlossen. Bei anderen Versicherern gibt es Obergrenzen, bis zu denen Streitigkeiten um Kapitalanlagen abgedeckt sind.

Allerdings haben manche Rechtsschutzversicherungen ihre Klauseln zu Kapitalanlagen so unverständlich formuliert, dass sie unwirksam sind. So hat sich der BGH daran gestört, dass in den Versicherungs-AGBs „Effekten“ oder „Kapitalanlagemodelle, auf welche die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar sind“ ausgeschlossen wurden – darunter kann sich der durchschnittliche Versicherte nämlich wenig vorstellen.

Ob eine bestimmte Rechtsschutzversicherung die Kosten für das Verfahren übernimmt, kann im Zweifelsfall ein Anwalt klären. Wer keine Rechtsschutzversicherung hat und das Prozessrisiko nicht selbst tragen kann oder will, kann seine Beteiligung an dem Musterprozess ggf. auch über Prozessfinanzierung oder Prozesskostenhilfe finanzieren.

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