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Fehler bei der Scheidung: “Die Kinder zu instrumentalisieren ist tabu!”

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30. Juni 2020

Frau Sturm, eine Trennung stellt das Leben aller Beteiligten auf den Kopf. Welche Folgen hat das?

Wir treffen übereilte, nicht überdachte Entscheidungen. Zum Beispiel, wenn wir in einer Kurzschlussreaktion eine Trennung aussprechen, die uns schon länger durch den Kopf geht, aber von der wir noch gar nicht wissen, was das für Folgen nach sich zieht.

Wie sollte ich es stattdessen angehen, wenn ich mich trennen möchte oder schon die Entscheidung getroffen habe, mich Scheiden zu lassen?

Wählen Sie zuerst den richtigen Zeitpunkt für die Trennung und informieren Sie sich über die Folgen der Scheidung, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt. Außerdem stellen Sie den Partner nicht vor vollendete Tatsachen. Versuchen Sie das gemeinsam mit ihm zu verarbeiten, so dass beide hinter der Trennung stehen.

Dazu muss ich mir aber relativ klar darüber sein, was ich will. Hilft hier ein Anwalt?

Natürlich können Sie sich bei einem Rechtsanwalt über die Trennungsfolgen informieren. Was bedeutet überhaupt eine Scheidung? Ich muss zum Beispiel nicht sofort ausziehen, sondern kann “getrennt von Tisch und Bett” innerhalb der Ehewohnung oder des Hauses weiter leben. Das heißt mit Selbstversorgung und einem eigenen Schlafzimmer, aber klar separiert.

Brauche ich zwei Anwälte, wenn ich mich scheiden lasse?

Ich würde immer nur einen Anwalt empfehlen. Es kann ein großer Fehler bei einer Scheidung sein, sofort jeweils einen eigenen Rechtsanwalt zu konsultieren. Denn leider ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz so gestrickt, dass der Anwalt umso mehr davon profitiert, je streitiger eine Angelegenheit wird. Es ist ihm also unter Umständen daran gelegen, dass möglichst viele Punkte im Rahmen des Scheidungsverfahrens geklärt werden.

Was raten Sie stattdessen?

Am besten ist: Einer der Eheleute holt bei einer bevorstehenden Scheidung die Informationen ein. Und zwar nicht nur für seine Interessen, sondern neutral für beide. Wenn Sie frühzeitig die Dinge deeskalierend regeln, werden sie gar nicht mehr streitig und es findet sich eine schnelle außergerichtliche Lösung. Außerdem ist es sehr viel kostengünstiger, wenn Sie sich den Fehler sparen und eine Trennung und Scheidung einvernehmlich geregelt wird.

Was mache ich, wenn ich meinen Ehepartner nicht an einen Tisch bekomme?

Ich würde einen darauf spezialisierten Mediator empfehlen, im besten Fall sogar ein Mediatorenpaar, bei dem beide Geschlechter vertreten sind. So fühlt sich bei der Scheidung jeder ausreichend vertreten. Sie unterstützen das Ehepaar, eine gemeinsame Lösung zu finden. Für viele beginnt das schon mit der Trennung selbst. Wenn beide erstmal verstanden haben, dass jeder seinen Beitrag zum Ende der Ehe geleistet hat, sieht man die Dinge gleich ganz anders.

Viele Paare machen bei einer Scheidung den Fehler, sich in Kleinigkeiten zu verrennen.

Bei meiner Trennung war es der Rasenmäherroboter, der unbedingt mit musste, obwohl es gar keinen Garten mehr gab in der neuen Wohnung. Gerade im Familienrecht ist es wichtig, dass man auch mal fünf gerade sein lässt und sagt: Ich streite jetzt nicht um das letzte Kissen oder das letzte Fahrrad bei der Scheidung. Das sind Kleinigkeiten, auf die es gar nicht ankommt, die aber das zukünftige Verhältnis zueinander belasten.

Einer der häufigsten Gründe, warum sich Paare bei einer Scheidung streiten, ist Geld.

Um das Geld geht es häufig nicht einmal. Oft ist es einfach: Ich gönne es dem anderen nicht. Manchmal ist es aber sinnvoller zu sagen: Ich verzichte jetzt darauf. Zwei Jahre zuvor hätte es den Eheleuten wahrscheinlich gar nichts ausgemacht, dieses Geld zu teilen. Da braucht es einfach den Weitblick. Es gilt herauszufinden, was für die Zukunft im Interesse aller, auch der Familie und des gesamten Umfelds, sinnvoll ist. Aber natürlich ist das in dieser emotionalen Phase schwierig.

Noch schmutziger wird es in einer Scheidung, wenn es um die Kinder geht. Welche Fehler begehen da Paare?

Sie lassen ihre Frustration, ihren Groll, all die Ängste, die den Ex-Partner betreffen, nicht bei sich, sondern tragen diese nach außen. Kinder sind in dieser Hinsicht sehr sensibel. Sie hören auch das nicht gesprochene Wort. Noch schlimmer ist es, vor den Kindern negativ über den Ex-Partner zu sprechen und Kämpfe zwischen den Ex-Partnern über die Kinder auszutragen. Die Kinder in der Scheidung zu instrumentalisieren ist aber tabu. Die Eltern sollten auch nicht vor ihnen streiten, sondern einen anderen Ort finden, um das auszutragen.

Bei einem Mediator zum Beispiel?

Dort hört ihnen jemand zu und hilft ihnen, die Trennung und Scheidung noch einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Mediator lenkt den Blick wieder auf das Wesentliche, das Gemeinsame, die Kinder. Er hilft dem Paar, eine gemeinsame Lösung für die getrennte Zukunft zu finden. Der Idealfall ist, wenn es gelingt, die Emotionen außen vor zu lassen und sich zu fragen: Was ist für uns beide, für die Kinder und das Umfeld das Beste?

Das fällt vielen Eltern in diesem Moment schwer. Sie fürchten bei einer Scheidung, das Kind bald nicht mehr täglich sehen zu können.

In der Gestaltung der Scheidungsfolgen sind Ehepartner völlig frei. Das gilt ebenso für den Umgang mit den Kindern. Es muss nicht auf das klassische “von Freitag bis Montagmorgen ist das Kind beim Vater” hinauslaufen. Der eine kann das Kind zur Schule, zum Sport oder Musikunterricht fahren, der andere abholen. Das muss sich nicht ändern, nur weil sich die Eltern getrennt haben. Alles was in einer Familie normal war, kann weiterhin normal bleiben. Denn Kinder brauchen zur gesunden Entwicklung beide Elternteile, und zwar regelmäßig und so häufig wie möglich.

Welchen Tipp können Sie Paaren noch mitgeben?

Finden Sie einvernehmliche Lösungen, reden Sie miteinander, bestehen Sie nicht auf Kleinigkeiten. Leben und leben lassen. Es lohnt sich nicht, verbissen zu sein. Es geht darum, erhobenen Hauptes aus dieser Scheidung heraus zu gehen in dem Wissen: Ich habe alles dazu beigetragen, dass wir uns auch noch zukünftig in die Augen schauen können. Diese Beziehung hatte schließlich auch gute Dinge, ich beende das jetzt sauber. Dann bin ich befreit für die Zukunft, in der etwas Neues kommen kann.

Vita Claudia Sturm:
Claudia Sturm, Rechtsanwältin in Schwäbisch Hall, ist seit 1989 in juristischen Berufen tätig und seit 2011 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Neben Ihrer Tätigkeit als Prokuristin und Syndikusrechtsanwältin in einem international tätigen Unternehmen ist Sie Dozentin und Prüferin in der juristischen Ausbildung und Mitglied im Prüfungsausschuss der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind allgemeines Zivilrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Zwangsvollstreckungsrecht und vor allem Familienrecht.

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