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Bis dass der Tod uns scheidet? So beeinflusst eine Scheidung das Erbrecht

26. Juni 2020

Das Wichtigste zu Scheidung und Erbe in Kürze:

  • Das Ehegattenerbrecht erlischt mit der Scheidung: Der geschiedene Ehepartner verliert sowohl die Erbberechtigung als auch das Pflichtteilsrecht.

  • Die Erbberechtigung entfällt nicht erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist, sondern bereits wenn die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben waren (z.B. Rechtshängigkeit der Scheidung).

  • Während der Ehe geerbtes Vermögen wird bei einer Scheidung nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen.

Das Erbrecht ist komplex und sorgt selbst in intakten Familien regelmäßig für Streitigkeiten. Nach einer Scheidung scheinen die diesbezüglichen Folgen zunächst vergleichsweise klar: Das gesetzliche Erbrecht des Expartners erlischt, sein Anspruch auf den Pflichtteil entfällt. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen, dank der auch der geschiedene Ehepartner noch Zugriff auf vererbtes Vermögen haben kann. Und wie wird ein während der Ehe erhaltenes Erbe bei der Vermögensaufteilung nach der Scheidung behandelt? Das müssen Sie wissen.

Das gesetzliche Erbrecht: Wie beeinflusst eine Scheidung das Erbrecht?

Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist in den §§ 1931 bis 1934 BGB bestimmt und gilt grundsätzlich dann, wenn der Verstorbene kein Testament verfasst oder einen Erbvertrag geschlossen hat. Es beinhaltet, dass beim Tod des einen Ehepartners der andere neben Kindern und anderen Verwandten erster Ordnung erbt. Dieses Ehegattenerbrecht erlischt mit der Scheidung: Der geschiedene Ehepartner verliert die Erbberechtigung (und damit auch das Pflichtteilsrecht), das gesetzliche Erbrecht der Kinder besteht weiterhin.

Erbfall mitten in einer Scheidung – welche Ansprüche hat mein Expartner?

Die Erbberechtigung entfällt nicht erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist. Die erbrechtlichen Ansprüche des ehemaligen Ehepartners können schon vorher verfallen:

„Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten (…) ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.“ (§ 1933 BGB)

Diese „Voraussetzungen für eine Scheidung“ sind in § 1565 ff. BGB definiert. Die Erbberechtigung kann infolgedessen bereits entfallen, bevor der Scheidungsbeschluss rechtskräftig ist, nämlich

  • wenn das Trennungsjahr eingehalten wurde und
  • wenn der verstorbene Partner selbst die Scheidung beantragt hatte und der Scheidungsantrag per Schriftsatz an den verbliebenen Partner zugestellt wurde (Rechtshängigkeit der Scheidung) oder
  • wenn der verbliebene Partner die Scheidung beantragt hat und der Verstorbene dem Scheidungswunsch zugestimmt hat.

Tipp:
Wenn Sie nach einer Trennung dafür sorgen wollen, dass Ihr Ehepartner unverzüglich seinen Anspruch auf ein gesetzliches Erbe sowie sein Pflichtteilsrecht verliert, sollten Sie den Scheidungsantrag schon rechtzeitig vor Ablauf des Trennungsjahrs stellen und mithilfe guter Vorbereitung und Beratung dessen baldige Rechtshängigkeit herbeiführen. Außerdem können Sie durch ein Testament den Erbanspruch ihres (noch) Ehepartners auf den Pflichtteil reduzieren.

Wie kann mein Expartner trotz Scheidung an mein Erbe kommen?

Im gesetzlichen Erbrecht entfallen die Ansprüche des Ehepartners durch die Scheidung – trotzdem gibt es Fälle, in denen der ehemalige Ehegatte Zugriff aufs Erbvermögen bekommen kann: Zum einen, wenn die Kinder zum Zeitpunkt des Erbfalls minderjährig sind und der geschiedene Partner durch das Sorgerecht das vererbte Vermögen verwaltet. Zum anderen, wenn die beerbten Kinder noch vor dem Expartner kinderlos versterben und es keine Verfügung gibt, die die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzt: Dann wird der geschiedene Ehepartner gesetzlicher Alleinerbe und Pflichtteilsberechtigter des ursprünglich vom verstorbenen Partner stammenden Vermögens.

Um diesen Fall auszuschließen, können gemeinsame Kinder über ein Testament als Vorerben eingesetzt und gleichzeitig ein Nacherbe bestimmt werden, der nach dem Tod des Vorerben das Vermögen erhält (§ 2100 BGB).

Testament und Erbvertrag: Was passiert bei einer Scheidung?

„Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehepartner bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist.“ (§ 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB)

Auch wenn der Verstorbene seinen Partner in einem Testament oder Erbvertrag bedacht hat, erlöschen dessen Ansprüche aufs Erbe mit dem Zeitpunkt der Scheidung – zu denselben Voraussetzungen wie beim gesetzlichen Erbrecht.

Doch hierbei gibt es Ausnahmen: Wenn der Verstorbene den Ehepartner unabhängig vom Bestand der Ehe bedacht hatte, besteht auch nach der Scheidung die Chance, vom Erbe zu profitieren. In § 2077 Abs. 3 BGB zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung der Ehe wird ein weiterer Sonderfall angesprochen: „Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde.“ Die Beweislast liegt dabei beim verbleibenden Expartner.

Wer auf Nummer sicher gehen und den Zugriff aufs Erbe durch den Expartner verhindern will, sollte im Testament ausdrücklich vermerken, dass der Ehepartner im Scheidungsfall leer ausgehen soll.

Wenn das Gegenteil der Fall ist und der Partner per Verfügung enterbt wurde, hat dieser während der Ehe noch Anspruch auf einen gesetzlichen Pflichtteil. Mit der Scheidung entfällt ebenso wie der gesetzliche Erbteil auch dieser Mindestanspruch am Nachlass.

Tipp:

Im Zuge der Scheidung sollten auch Testament bzw. Erbvertrag zügig überarbeitet werden. Einseitige Testamente können widerrufen und durch ein neues ersetzt werden, für den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen bei einem Ehegattentestament (z.B. Berliner Testament) ist der Besuch beim Notar nötig. Von einem Erbvertrag kann man bei Scheidung zurücktreten oder den Vertrag durch eine gemeinsame Erklärung mit dem ehemaligen Ehepartner aufheben.

Gut zu wissen:

Geschiedenentestament – was ist das und was muss ich wissen?

Mit dem Geschiedenentestament kann der ehemalige Partner gezielt von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Es kann unterschiedliche erbrechtliche Bausteine enthalten, die individuell eingesetzt werden – unter anderem den Widerruf bisheriger Verfügungen, Bestimmungen zu Vor- und Nacherbschaft und Vermögenssorge bei minderjährigen Kindern.

Während der Ehe geerbt – wie wird die Erbschaft bei Scheidung aufgeteilt?

Erbrecht bei Scheidung in einer Zugewinngemeinschaft:

Wer ohne Ehevertrag heiratet, lebt automatisch in einer Zugewinngemeinschaft, bei der die Vermögen der Ehegatten getrennt bleiben und im Fall einer Scheidung ein Zugewinnausgleich stattfindet. Dabei wird ein Anfangs- und Endvermögen festgelegt, die Differenz entspricht dem Zugewinn eines Ehegatten, auf diesen hat der Partner mit dem geringeren Zugewinn bei einer Scheidung hälftig Anspruch. Wie fließt nun ein Erbe, das einer der beiden Ehepartner während der Ehe erhalten hat, in diese Berechnung mit ein?

Bei einer Erbschaft handelt sich ebenso wie bei Schenkungen um Vermögen, die kein direktes oder indirektes Resultat der ehelichen Lebensgemeinschaft sind. Dazu heißt es im BGB:

“Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.“ § 1374 Abs.2 BGB

Im Normalfall zählt eine Erbschaft zum so genannten privilegierten Erwerb. Als persönliche Zuwendung, die nicht auf Grund der Ehe geleistet wurde, wird sie deshalb zum Anfangsvermögen des Empfängers gerechnet. Juristisch gesehen wird die Erbschaft so behandelt, als habe der Erbe sie schon vor der Hochzeit besessen. Entsprechend wird geerbtes Vermögen bei einer Scheidung nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen. Der letzte Halbsatz im Gesetzestext, „soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist“, sorgt allerdings regelmäßig für Auseinandersetzungen vor Gericht.

Anders verhält sich die Sachlage, wenn beide Ehepartner zu gleichen Teilen Erben sind: Dann muss – sofern keine Klausel für den Fall einer Scheidung festgelegt ist – das Erbe meist aufgeteilt werden. Beide Erbteile werden dennoch zum jeweiligen Anfangsvermögen gerechnet und beeinflussen den Zugewinnausgleich ebenfalls nicht.

Als Sonderfall gilt, wenn das Erbe eines Ehegatten beispielsweise in die Finanzierung eines gemeinsamen Hauses gesteckt wurde. Wenn der andere Partner als Miteigentümer im Grundbuch geführt wird, kann er bei der Scheidung die Hälfte des Hauses beanspruchen – der ursprüngliche Erbe kann dabei einen Ausgleichsanspruch in der Regel nicht geltend machen.

Erbrecht bei Scheidung in Gütergemeinschaft

Hat sich das Paar zu Beginn der Ehe für eine Gütergemeinschaft entschieden, wird sämtliches Vermögen der Partner zu gemeinschaftlichem Vermögen, über das im Fall einer Trennung keiner der beiden alleine verfügen darf. Entsprechend kann ein Ehegatte bei einer Scheidung auch Anspruch auf die Hälfte eines während der Ehe erhaltenen Erbes erheben. Die Ausnahme vom Regelfall: In einer Gütergemeinschaft kann eine Erbschaft als Vorbehaltsgut gelten, die vom Gesamtgut ausgeschlossen ist. Dazu muss der der Erblasser allerdings durch eine letztwillige Verfügung bestimmt haben, dass es sich um Vorbehaltsgut handelt (§ 1418 Abs. 2 BGB).

Die wichtigsten Fakten zum Erbrecht nach der Scheidung:

  • Die Erbberechtigung des Expartners entfällt nicht erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist, sondern bereits dann, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben sind bzw. die Scheidung rechtshängig ist.
  • Im Zuge der Scheidung sollten auch sämtliche das Erbe betreffende Verfügungen überprüft werden. Mit dem Geschiedenentestament kann der ehemalige Partner gezielt von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
  • Wie ein während der Ehe erhaltenes Erbe nach der Scheidung behandelt wird, ist vom Güterstand des Paares abhängig: Geerbtes Vermögen wird normalerweise nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen. In einer Gütergemeinschaft kann der Expartner meist Anspruch auf die Hälfte des Erbes erheben.

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