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Verfassungsgericht stärkt Recht von Autofahrern auf faire Bußgeldverfahren

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Bei zu schnellem Fahren drohen Punkte & Fahrverbote, doch viele sind abwendbar. (Foto: Aleksei Demitsev/fotolia)
16. Dezember 2020

Werden Autofahrer geblitzt, haben Sie das Recht, alle Unterlagen zur Messung einzusehen – das betrifft auch solche Unterlagen, die gar nicht Teil der Bußgeldakte sind. Während die Amtsgerichte und Oberlandesgerichte hier in den letzten Jahren häufig widersprüchliche Urteile fällten, hat das Bundesverfassungsgericht am 12. November in Beschluss 2 BvR 1616/18 die Rechte von Autofahrern in ganz Deutschland konkret gestärkt. Das geht aus einer Pressemitteilung von Mitte Dezember hervor.

Im konkreten Fall ging es um einen Autofahrer, der außerorts mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h geblitzt wurde und ein Bußgeld von 160 Euro und einen Monat Fahrverbot aufgebrummt bekam. Er beantragte über seine Verteidigerin Akteneinsicht und verlangte spezifischen Einblick …

„… in die gesamte Verfahrensakte, 2. eine ggf. vorhandene Videoaufzeichnung, 3. den ggf. vorhandenen Messfilm, 4. ggfs. die Rohmessdaten der gegenständlichen Messung in unverschlüsselter Form (…), 5. in die sog. „Lebensakte“ (…), 6. in die Bedienungsanleitung des Herstellers des verwendeten Messgerätes (…), 7. in den Eichschein des verwendeten Messgerätes, 8. in den Ausbildungsnachweis des Messbeamten – und/oder 9. sonstige Beweisstücke“

Die Behörde händigte die Bedienungsanleitung und die Inhalte der Bußgeldakte aus, verweigerte allerdings den Zugang zu Wartungsberichten, Rohmessdaten und den Ausbildungsnachweise der Beamten. Der Autofahrer legte vor dem Amtsgericht und später dem Oberlandesgericht Beschwerde ein und wurde abgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht kippte jetzt jedoch deren Entscheidungen mit Verweis auf das Grundrecht des Autofahrers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG:

„Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt grundsätzlich auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. „

Für Autofahrer bedeutet dieser Beschluss eine eindeutige Stärkung ihrer Rechte. Fachanwälte für Verkehrsrecht können Bußgeldbescheide dadurch endlich fair und fachkundig überprüfen und fundierter Einspruch gegen zu Unrecht verhängte Bußgelder einlegen.

Das Urteil dürfte nicht nur Auswirkungen bei Verfahren wegen zu schnellem Fahren haben, sondern z.B. auch bei Rotlichtverstößen oder bei zu geringem Abstand, sofern die Verstöße technisch festgestellt wurden und nicht z.B. durch Zeugen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht

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