Suche

Deutschlands Anwaltsportal mit über 90.000 Einträgen


Services

Magazin

Vorlagen

Ärztepfusch: Wie verhalten Sie sich bei Behandlungsfehlern?

Wenn Ärzten Kunstfehler passieren, hat der Patient Recht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. (Foto: mclo/photocase.de)
4. Februar 2024

Zusammenfassung:

  • Ärztepfusch und Behandlungsfehler begründen potentiell Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche. 
  • Ärzte schulden keinen Behandlungserfolg, aber eine Behandlung nach anerkannten ärztlichen Standards.

ärztliche Behandlungsfehler und Ärztepfusch muss man nicht hinnehmen

Noch immer gelten Ärzte sprichwörtlich als „Halbgötter in Weiß“ und schüchtern viele Patienten ein. Dennoch sind Ärzte Menschen. Und daher passieren ihnen manchmal Behandlungsfehler. Von Ärztepfusch betroffene Patienten brauchen Geduld, um zu ihrem Recht und gegebenenfalls Schadensersatz zu kommen. Patientenrechte sind bereits seit 2013 gesetzlich festgeschrieben und haben einiges im Bereich Arzthaftungsrecht bewegt. Dennoch gilt weiterhin: Der ärztliche Behandlungsfehler ist ein schwieriges rechtliches Terrain, auf dem juristische und medizinische Laien ohne Experten-Beistand schnell verloren sind.

Betroffene haben es auf der Gegenseite mit einer fachlich sehr gut informierten Haftpflichtversicherung zu tun. Kaum ein Arzthaftungsfall kommt ohne fachliches Gutachten aus, dem in der Würdigung von Ärztepfusch erhebliche Bedeutung zukommt.

Ärztepfusch – auf die Sorgfalt kommt es an

Rechtlich gesehen besteht zwischen dem Patienten und seinem Arzt ein Behandlungsvertrag nach § 630a BGB. Soweit in den § 630a – h BGB keine Sonderregelungen getroffen sind, kann auf die Regelungen zum Dienstvertrag in § 611 BGB zurückgegriffen werden. Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Behandlungserfolg, sondern hat ihn entsprechend anerkannter Sorgfaltspflichten zu behandeln. Verstöße gegen diese Sorgfaltspflichten können unter anderem einen Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB auslösen. Mit dem Patientenrechtegesetz wurden 2013 die Sorgfaltspflichten konkretisiert und in den § 630c BGB kodifiziert. Der Patient darf nach § 630a Absatz 2 BGB erwarten, dass seine Behandlung allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht – alles Andere wäre Ärztepfusch.

Es handelt sich zum Beispiel um Ärztepfusch und einen groben Befunderhebungsfehler, wenn eine Hausärztin bei einer 15-jährigen Patientin die Ursachen eines erhöhten Blutdrucks (160/100) mit Phasen von Bewusstlosigkeit nicht klärt und es in der Folge zum Verlust beider Nieren, zur Dialysepflicht und zu über 50 weiteren Operationen kommt. (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 3. Juli 2015, I-26 U 104/14 /26 U 104/14)

Ärztepfusch und Arzthaftungsrecht – Dunkelziffer hoch

Die Bundesärztekammer vermeldet für 2020 9.483 neu gemeldete Fälle von mutmaßlichem Ärztepfusch. Im gleichen Jahr wurden 1.741 Fälle als Behandlungsfehler anerkannt. Die meisten ärztlichen Haftungsfälle betreffen den orthopädischen Bereich.

Die genannten Zahlen lassen eine Dunkelziffer vermuten. Viele Geschädigte versuchen erst gar nicht, ihre möglichen Ansprüche geltend zu machen. Auch erfasst die Statistik der Bundesärztekammer nicht die Fälle, die ohne Einschaltung der Ärztevertretungen gerichtlich geltend gemacht worden sind oder bei anderen Stellen geprüft wurden. So spricht der medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen 2020 allein von 14.042 gemeldeten Behandlungsfehlern.

Patienten sollten sich von Ärzten nicht einschüchtern lassen, sondern bei Verdacht auf einen Ärztepfusch einen der kostenlosen Ansprechpartner befragen. (Foto: Monkey Business/fotolia)
Patienten sollten sich von Ärzten nicht einschüchtern lassen, sondern bei Verdacht auf einen Ärztepfusch einen der kostenlosen Ansprechpartner befragen. (Foto: Monkey Business/fotolia)

Ärztepfusch – kostenlose und kostenpflichtige Ansprechpartner auf verschiedenen Ebenen

Wer einen ärztlichen Behandlungsfehler annimmt, kann sich an verschiedene Stellen und Kontaktpersonen wenden:

  • Gesetzliche Krankenversicherung: Diese ist verpflichtet, dem Verdacht des Versicherten auf einen Behandlungsfehler nachzugehen. Über den medizinischen Dienst der Krankenkassen kann ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Das ist zunächst kostenfrei für den Betroffenen. Die Krankenkasse hat durchaus ein Interesse daran, Ärztepfusch aufzudecken, da sie dann ggf. für die Kosten von Folgebehandlungen Schadensersatz vom Arzt verlangen kann.
  • Unabhängige Patientenberatung: Hier kann sich ein Geschädigter telefonischen Rat von Medizinern und Juristen zu seinem Fall einholen. Auch erfahrene Patientenanwälte bieten eine Erstberatung an.
  • Ombudsmann im Krankenhaus: Kliniken verfügen über eine Beschwerdestelle, an die sich der Patient kostenfrei wenden kann, wenn es um einen Behandlungsfehler in dem Krankenhaus geht.
  • Gutachter- und Schiedsgerichtsstellen der Ärztekammern: Die Ärztekammern haben entsprechende Stellen eingerichtet, die der Betroffene kostenlos mit seinem Fall betrauen kann.
  • Fachanwälte im Arzthaftungsrecht/Zivilgerichte: Medizinrecht ist ein anwaltliches Spezialgebiet und umfasst auch die Arzthaftung. Um Ansprüche gegen Ärzte durchzusetzen, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Rechtsanwalt. Ihre Tätigkeit ist wie die der Gerichte kostenpflichtig. Gewinnt man vor Gericht, trägt aber die Gegenseite die Kosten. Viele Anwälte bieten ein kostenloses Infogespräch oder eine ausführliche rechtliche Beratung an.

Bei den kostenlosen Beschwerdestellen für Ärztepfusch sollte man sich jedoch im Zweifelsfall überlegen, wer die Kosten für diese Stellen trägt. Gerade wenn es darum geht, dass Ärzte Gutachten zu den vermeintlichen Behandlungs- und Diagnosefehlern ihrer Berufsgenossen erstellen, wird schnell der Verdacht laut, dass „eine Krähe der anderen kein Auge aushackt“.

Betroffene sollten zügig aktiv werden, andernfalls droht Verjährung bei Behandlungsfehlern.

Quellen: bmg.bund.de, bjmv.de, bundesaerztekammer.de, BGB

Tipps

  • Lassen Sie sich durch Ärzte und Krankenhäuser nicht einschüchtern.
  • Bei Verdacht auf Ärztepfusch einen der kostenlosen Ansprechpartner befragen.
  • Sie haben einen Anspruch auf Prüfung Ihrer Beschwerde sowie auf Akteneinsicht.
  • Schiedsstellen der Ärztekammern prüfen nur fünf Jahre nach dem Behandlungsfehler.

Autoren

Unsere Rechts-Redaktion setzt sich intensiv mit verbraucherrelevanten Rechtsthemen auseinander und bereitet sie in enger Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten und Experten so auf, dass man sie auch ohne Staatsexamen versteht. Bei uns finden Sie Ratgeber-Artikel zu Rechtsgebieten wie Scheidungsrecht, Arbeitsrecht, Medizinrecht, dem Abgassskandal oder diversen Geldanlage-Themen.

Das könnte Sie auch interessieren: